DAHW: Leben in Mwanza Teil 2 – Kinder von Ijinga

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Würzburg erleben

4. April 2017

Gesundheitliche Untersuchung in der Schule von Ijinga. Foto: Jochen Hövekenmeier
Schueler_Mwanza

Gesundheitliche Untersuchung in der Schule von Ijinga. Foto: Jochen Hövekenmeier

Ein Gastbeitrag von Jochen Hövekenmeier von der DAHW. 

Worüber beschweren sich Menschen?

Sich über irgendetwas beschweren gehört für viele Menschen in Deutschland inzwischen fast zum „guten Ton“, und manche machen dies so laut, dass der Ton längst nicht mehr als „gut“ zu bezeichnen ist. Aber worüber beschweren sich die Menschen eigentlich? Viele darüber, dass es zu oft regnet – im Übrigen meistens die gleichen Leute, die sich in den wenigen Tagen dieses Sommers über zu viel Sonne und Hitze beschwert haben. Und einige, die sich auch noch anmaßend „das Volk“ nennen, beschweren sich über alles, was unser demokratisch gewähltes Parlament beschließt oder die ebenso legitimierte Regierung umsetzt. Aber das ist eine andere Geschichte und bietet genügend Grund, mich selbst aufzuregen über solche (Pegid)Idioten.

Schulleiter Julius Ncheyeki

Auf Ijinga, dieser kleinen Insel rund 50 Kilometer westlich von Mwanza, habe ich einen Menschen kennengelernt, der sich über nichts beschwert, obwohl er dazu – im Gegensatz zu den meisten Menschen in Deutschland – wirklich gute Gründe hat: Schulleiter Julius Ncheyeki hat uns nicht nur Räume für die Untersuchung der Inselbewohner auf Bilharziose zur Verfügung gestellt, er organisiert auch den reibungslosen Ablauf an den Tagen, an denen seine Schüler untersucht werden.

Jetzt im Kampf gegen Schistosomiasis helfen!

Früh am Morgen trifft es zuerst die Vorschüler, zu erkennen an ihren blauen Schuluniformen: Jedes der fast 170 Kinder muss zunächst registriert werden, wird dann vermessen und gewogen, muss danach eine Stuhl- und Urinprobe abliefern und wird dann per Ultraschall untersucht. Wer selbst Kinder in diesem Alter hat, wird sich vorstellen können, wie diesen kleinen Kindern die Angst buchstäblich im Gesicht geschrieben steht. Dass jedes dieser kleinen Kinder einen „Mentor“ hat, eines der größeren Schulkinder als ständigen Begleiter, ändert an der Angst nicht viel, hilft aber, dass die Kinder auch wirklich all das machen, was für diese Untersuchung notwendig ist.

Unterricht im Freien

Während die Kinder untersucht werden, klärt mich der Schulleiter über den Alltag an seiner Dorfschule auf. Es ist eine „Primary School“, in der Kinder bis zur sechsten Klasse unterrichtet werden. Rund 400 Kinder teilen sich auf in sechs Klassen, die größte davon umfasst 91 Schüler. Dazu kommen noch rund 170 Vorschüler, die in den kommenden zwei Jahren in die erste Klasse gehen werden. Da Ncheyekis Schule nur über sieben Klassenräume und sieben Lehrer verfügt, müssen sich diese 170 Vorschüler also einen Raum teilen.

Jetzt, in der Trockenzeit, geht es ja noch so gerade, weil er mit einigen Hilfslehrern die Klassen aufteilen und einen Teil des Unterrichts im Freien halten kann. Doch in drei bis vier Wochen beginnt die Regenzeit, dann müssen sich alle Schüler in einen Klassenraum drängen, der auch nicht größer ist als einer in Deutschland, wo sich viele Eltern schon laut beschweren, wenn dort mehr als 25 Kinder sitzen müssen.

Unterstützung der Regierung

Schon oft hat der Schulleiter bei der Regierung angefragt, ob er denn endlich Geld bekommen könnte für mehr Klassen. „Vielleicht irgendwann“, so habe man es ihm hoch und heilig versprochen, „wenn Geld dafür verfügbar ist.“ Aus dem tansanischen Behördendeutsch übersetzt bedeutet dies: Wenn Weihnachten, Ostern sowie die Sommerferien auf einen Tag fallen und es gleichzeitig in Mwanza schneien sollte.

Dabei wäre er doch schon mit wenig Geld zufrieden, um die vorhandenen Klassenräume vor dem vollständigen Verfall retten zu können: Bei einem Gebäude droht das Dach die nächsten Regenzeit nicht zu überleben, bei einem anderen sind so große und tiefe Löcher im Boden, dass einmal eine Schlange als ungebetener Gast in den Unterricht kam, glücklicherweise keine giftige.

„So ist halt das Leben in Afrika, in Tansania und speziell in einem kleinen Dorf“, resümiert Schulleiter Ncheyeki mit einem Achselzucken, aber ohne sich zu beschweren. „Natürlich würde ich mich freuen über etwas Geld für die Renovierung oder für zwei oder drei zusätzliche Gebäude, in denen wir jeweils zwei neue Klassen unterrichten könnten, aber wenn es halt nicht geht, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.“

Schulküche

So hat er es auch mit der Schulküche gemacht, also mit dem Ort, den alle hier so nennen: Eine Nachbarin kocht jeden Tag mit einigen Schülern für alle Kinder, damit sie wenigstens etwas im Magen haben. „Früher haben wir die Kinder zur Mittagszeit nach Hause geschickt, damit sie dort etwas essen können, wie es halt in den hiesigen Vorschriften steht“, erklärt mir Ncheyeki, „doch was die Vorschriften nicht berücksichtigen ist, dass die Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen und keine Zeit haben, für ihre Kinder zu kochen.“

Und weil lernen mit knurrendem Magen schwierig ist, gibt es jetzt Mittagessen für alle – bezahlt von den wenigen Eltern, die sich das leisten können. Zum Glück wird der Reis hier selbst angebaut und der Fisch selbst gefangen, so dass die Kosten sehr gering sind.

Nur, leider kommen die Menschen, die den Reis anbauen, den Fisch fangen oder das Trinkwasser aus dem See holen, auch in Kontakt mit den fast unsichtbaren Larven, die Bilharziose auslösen. Und alle, aber auch wirklich alle Kinder wurden positiv auf die Krankheit getestet. Und trotzdem: Beschwerden höre ich keine, nur die Hoffnung, dass die Mediziner aus dem Bugando-Hospital in Mwanza und dem Missionsärztlichen Institut aus Würzburg Lösungen finden werden.

Und was den baulichen Zustand der Schule angeht, regiert Julius Ncheyeki auch die Hoffnung: Entweder erbarmt sich ein Beamter im Ministerium, weil er nicht mehr die monatlichen Anfragen aus Ijinga bekommen möchte, oder in Deutschland lesen Menschen über die Zustände und helfen. Und wenn nicht, wird er sich trotzdem nicht beschweren, denn damit hat noch niemand ein Problem lösen können, sagt der findige Pädagoge.

Jetzt weiterlesen: Leben in Mwanza Teil 1 – Die Insel der Kranken  

Jetzt weiterleisen: Leben in Mwanza Teil 3 – Würzburg und Mwanza

Im Kampf gegen eine heimtückische Krankheit

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulose e.V. möchte gemeinsam mit dem Missionsärztlichen Institut Würzburg über die Städtepartnerschaft zwischen Würzburg und Mwanza aufklären. In der Stadt in Tansania leben die Menschen in erschreckend einfachen Verhältnissen ohne Strom und fließendes Wasser. Die DAHW hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor Ort die Gesundheitsaufklärung und Medikamentenversorgung zu verbessern, denn fast 97 Prozent der Schulkinder sind in Mwanza an Bilharziose, einem heimtückischen Wurmbefall, erkrankt. Obwohl es wirksame Medikamente gibt, kommt es durch das verseuchte Wasser oftmals zu einer Neuansteckung. Zwei Ärzte aus Würzburg sind vor Ort und versuchen durch Untersuchungen und Aufklärung der Krankheit entgegen zu wirken.

Der Journalist Jochen Hövekenmeier war vor Ort und hat seine Eindrücke über das Leben in Mwanza mit der Krankheit in seinen Texten festgehalten. Seit sechs Monaten ist er wieder zurück in Deutschland und siehe da, es hat sich etwas getan – in der Schule wurde inzwischen eine Regenwasserrinne errichtet und zwei neue Klassenzimmer sind in Bau. 

Bilharziose

Die Krankheit Bilharziose wird auch Schistosomiasis bezeichnet und gilt als heimtückische Erkrankung aus dem Wasser. Gerade in den Teilen des Landes, in denen die Armut vorherrschend ist, leiden die Menschen oft an der Tropenkrankheit. Die Parasiten sind so winzig, dass sie mit dem bloßen Auge kaum sichtbar sind. Dennoch sind sie so gefährlich, dass bereits kurzer Kontakt ausreicht um sich zu infizieren. Beim Baden, Wäsche waschen oder Fischen, bohren sich die Parasiten durch die Haut und entwickeln sich dort zu Würmern. Im Körper produzieren die Würmer Tausende von Eiern und hinterlassen Schäden an Milz, Darm und Leber. Dies führt in vielen Fällen zum Tod.

Jetzt helfen! 

Die produzierten Eier der Würmer, gelangen über den Kot und den Urin des Menschen wieder in das Wasser. Dort lebt eine spezielle Art einer Wasserschnecke, die die Entwicklung des Parasiten begünstigen und somit wieder neue winzige Larven ausstoßen. Ein niemals endender Kreislauf. Durch Eure Spende könnt Ihr die Arbeit der DAHW und der Missionsärztlichen Klinik in Mwanza unterstützen – hier findet Ihr weitere Infos! 

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