Strong is the new Skinny – eine Ode an die Einfältigkeit
Wuerzburgerleben
21. Mai 2015

Symbolbild Würzburg
Ein Gastbeitrag von Saida Thenhart
Ladies mit Muskeln
Eine ganz gut aussehende junge Frau, lassen wir sie 25 Jahre alt sein, sitzt abends auf dem Sofa. Sie ist Athletin und macht jede Woche gute sechs bis acht Stunden Kraftsport. Alles vom klassischen Bodybuilding bis hin zu CrossFit lässt ihr Herz höher schlagen. Und verdammt, sie kennt sich besser mit Ernährung und Macros aus, als der renomierteste Babo in deinem Gym. Dennoch, während sie gedankenverloren in einer Tüte Bananenchips wühlt, die neben ihren aktuellen Büchern „Buddhismus erklärt“ und „Die Krafsportbibel“ liegt, fragt sie sich nach dem “Warum?”.
Killt Sportlichkeit den Sex Appeal?
„Warum bin ich eigentlich seit zwei Jahren Single und habe das Gefühl, für Männer nicht mehr attraktiv zu sein? Umso sportlicher ich werde, desto weniger werde ich beim Feiern gehen angesprochen. Bilde ich mir das am Ende nur ein? Vielleicht sollte ich eine Freundin anrufen und mir meine Attraktivität zur Sicherheit von ihr bestätigen lassen?! Oder ich gehe einfach ins Bad und mache 3 Stunden lang Duckface-Selfies, versehe diese dann weitere zwei Stunden mit sämtlichen Filtern und poste sie dann ganz „spontan“ auf all meinen Facebook/Twitter/Instagram/Pinterest-Profilen, um genüsslich die Bestätigung von den Social Media Junkies zu inhalieren?! Nein, genau das werde ich auch heute nicht tun!”
Was macht eine Frau begehrenswert?
Das oben beschriebene Szenario trägt sich wohl aktuell immer häufiger zu, denn die Anhängerinnen der zügig wachsenden Kraftsportbewegung werden mehr und mehr. Dabei stellt sich die Frage, was eine Frau überhaupt zur begehrenswerten Frau macht? Abgesehen von den gesellschaftlich festgelegten „Hard Facts“ Brüste und Po usw. sind es leider allzu oft „Soft Skills“, wie süß-mäuschenhaftes oder wahlweise vermeintlich raffiniertes, verruchtes Verhalten, eine flexible, sich am Mainstream orientierende Meinung, dazu ein Hauch dosierte Hilflosigkeit im Alltag, passend garniert mit einem possierlichen Outfit.
Kraftsport treibt einen an die Grenzen
Kraftsport lässt, richtig gemacht, an die Grenzen der eigenen Leistung stoßen. Und diese gilt es zu überwinden. Wer das schafft, geht nach dem Training nicht einfach nach Hause und duscht in aller Ruhe das neu dazu gewonnene Selbstvertrauen wieder ab. Es bleibt. Bestenfalls wächst es sogar mit der Zeit und hilft, den Charakter in der heutigen knallharten Welt zu stärken. Das ist etwas Positives.
Solche Frauen werden keine Duckface Selfies machen, weil sie erstens schlichtweg keinen Bock mehr haben, sich den Wünschen der Gesellschaft anzupassen und zweitens weil sie das Rückgrat (und wahrscheinlich auch die Muskulatur) dazu haben, einfach mal das zu machen, wonach ihnen wirklich ist. Heißt das allerdings im Umkehrschluss, dass man dadurch verlernt, sich ansonsten wie eine Frau zu verhalten? Dabei muss man gewitzt differenzieren: Optisch durch einen muskulösen Körper nicht mehr als das Zuckerpüppchen gesellschaftlicher Erwartungen durchzugehen, bedeutet nicht, dass man deshalb weniger fraulich ist.
“Leben und leben lassen” – Frau mit Muskeln
Denn dass sich – sofern man effektiv trainiert– auch äusserlich die ein oder andere Veränderung bemerkbar macht, dürfte dementsprechend klar sein. Das Fett nimmt ab und je nach Veranlagung springen mehr oder weniger definierte Muskeln dabei heraus. Wenn man bedenkt, wie viel harte Arbeit es insbesondere Frauen kostet, auch nur ein Kilogramm Muskulatur draufzupacken, macht es noch viel weniger Sinn, diesen Erfolg mit Häme zu honorieren. „Leben und leben lassen“ ist ein Spruch der oft abgenützt, leider aber viel zu selten tatsächlich beherzigt wird.
Raue Handinnenflächen streicheln besser?
Es ist unwahrscheinlich, dass sich ein sportlich zufriedener Mann über eine starke und selbstsichere Frau lustig macht, sondern eher einer, der unzufrieden ist, mit seiner eigenen Performance und den körperlichen Resultaten. Vielleicht liegt es aber auch schlichtweg daran, dass sich solche Männer eventuell in ihrem Verhalten bedroht fühlen. Kann man niemanden daten, der möglicherweise ähnlich stark ist? Oder aber scheitert alles an den raueren Händen, die Hantel und Co. verursachen? Aber wie weit am Boden wären wir, wenn neuerdings schon die Beschaffenheit der Handinnenfläche zum Dating No-Go führen würde?
Letztlich bleibt noch die Frage, wieso in Modegeschäften derzeit so unfassbar viele Sneaker verkauft werden, aber kaum einer den passenden Inhalt will? Es ist hip, Sportschuhe im Alltag zu tragen, aber ein fitter Körper mit entsprechender Muskulatur darin ist, zumindest bei den Ladies, nicht „en vogue“, weil Hans Kasper entscheidet, wann zu viel Muskulatur zu viel ist? Das leuchtet sicherlich nicht einmal erleuchteten ein. Es ist wohl bedauerlicher Weise wieder einmal an der Zeit, das Frauenbild zu überdenken – Strong is the new skinny!
Anmerkung der Redaktion
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