ANTIGONE im Mainfranken Theater – so entsteht ein Bühnenbild

Wuerzburgerleben

28. März 2017

Helene Blechinger, Bastian Beyer und Cedric von Borries. Foto: © Nik Schölzel
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Helene Blechinger, Bastian Beyer und Cedric von Borries. Foto: © Nik Schölzel

Dominik Steinmann im Interview

Abwechslungsreich, phantasievoll und äußerst kreativ, so lässt sich der Beruf des Bühnenbildners wohl ganz gut zusammenfassen. Dass noch viel mehr dahinter steckt, verrät der Bühnen- und Kostümbildner Dominik Steinmann im Interview.

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Der Schweizer leitet in Berlin sein eigenes Kunstlabel „Büro unbekannt“. Am Mainfranken Theater Würzburg entwickelte er das Bühnenbild sowie die Kostüme für den Klassiker der dramatischen Literatur ANTIGONE. Seit Februar wird das Stück, bei dem es vor allem um das Prinzip des Widerstandes geht, aufgeführt. Wir wollten von Dominik Steinmann wissen, was das Besondere an seinem Werk für das Würzburger Stadttheater ist und wie sein Alltag als Bühnen- und Kostümbildner aussieht.

Erste Arbeit am Mainfranken Theater

WE: Warst Du schon häufiger für das Mainfranken Theater im Einsatz, und was verbindest Du mit dem Theater und Würzburg?

Dominik Steinmann: Nein, das war meine erste Arbeit an diesem Haus. Ich hatte eine schöne Zeit in Würzburg. Ich mochte die Stadt in ihrer Größe und Aufgeschlossenheit. Das Glas Silvaner auf der Alten Mainbrücke bei den ersten wärmenden Sonnenstrahlen 2017 wird mir in guter Erinnerung bleiben. Und ich bin großer Fan der Architektur des Mainfranken Theaters. Das ist ein Theaterbau, der mich besonders anspricht.

WE: Woher kam die Inspiration für das ANTIGONE-Bühnenbild, und was ist das Besondere an diesem Bühnenbild?

Dominik Steinmann: Das entstand stückchenweise in den Gesprächen mit Ramin Anaraki (freier Regisseur am Mainfranken Theater). Es gab einige Ideen, die uns angetrieben haben. Zum Beispiel habe ich mich für ANTIGONE eingehend mit dem Reichsparteitagsgelände der NSDAP in Nürnberg auseinandergesetzt. Die Bühne kommt mit einer großen Klarheit aus. Und trotzdem ist sie mit dem vielen Nebel üppig ausgestattet. Einfach reinsitzen und schauen! Es gibt viele schöne Momente in dem Stück. Und Momente, die einen zum Nachdenken anregen.

WE: Wie lange hat es gedauert, das Bühnenbild / die Kostüme für ANTIGONE zu erstellen, und wie viele Leute waren daran beteiligt?

Dominik Steinmann: Ich schreibe meine Stunden als selbständiger Bühnenbildner leider nicht auf. Aber soviel sei gesagt: viele. Wie viele Leute beteiligt waren, ist schwierig zu beurteilen. Von den technischen Abteilungen und von den Kostümabteilungen wird fast jede/r mit dem Stück zu tun gehabt haben. Als Ausstatter hat man vor allem mit den leitenden Personen der jeweiligen Gewerke zu tun. Ich kann jedem wärmstens einen Rundgang hinter der Bühne empfehlen. Es ist unglaublich, welches Know-how an einem Stadttheater existiert, welche tollen Berufe es da gibt und was man alles entdecken kann!

„Kunst ist die Bildwerdung von Ideen“

WE: Wie bist Du darauf gekommen, Bühnenbildner zu werden, und welchen Ausbildungsweg erfordert dieser Beruf?

Dominik Steinmann: Das war eine lange Entwicklung. Am Anfang stand eine Berufsausbildung zum Möbelschreiner. Mir gefiel die handwerkliche Praxis, das Arbeiten in der Werkstatt sowie der Umgang mit dem Material Holz. Mir fehlte jedoch die intellektuelle Herausforderung in diesem Beruf.

Ich begann dann ein Architekturstudium. Nach zwei Semestern wechselte ich an die Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel und begann das Bachelorstudium für Innenarchitektur und Szenografie. Dort wurde meine Lust auf das Theater und die Bühne geweckt. Nach meinem dortigen Abschluss habe ich dann noch ein Vertiefungsstudium an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin absolviert. Vier Semester, in denen ich mich explizit mit der Konzeption von Bühnen und Kostümen beschäftigt habe. Bühnen-/KostümbildnerIn wird man in Deutschland, indem man diesen Studiengang an Kunsthochschulen studiert.

WE: Wie kann man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen?

Dominik Steinmann: Der Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Es gibt Phasen für den Entwurf und solche für die Umsetzung. Manchmal überschneiden sich die Projekte auch. Dann bin ich beim einen Stück in den letzten Zügen und mache nebenher die Vorbereitungen und Abgaben für die nächste Arbeit. Als Bühnenbildner bin ich daher sehr viel am Reisen, weil ich quer durch Deutschland, Österreich und der Schweiz Arbeit habe.

Mein Alltag beim Entwerfen besteht hauptsächlich aus Zeichnen, Modell bauen, Recherchieren, Texte lesen und Kunst anschauen. Entwerfen heißt eigentlich das Ausprobieren und Verwerfen von Ideen. Man klopft Ideen auf ihre Tragfähigkeit für das Stück ab. Oft geht man zwei kleine Schritte vor und dann wieder einen zurück. Wenn die Stücke in die Umsetzung gehen, dann geht es vor allem darum, die Entwürfe in den Werkstätten zu begleiten und auf den Proben mit dabei zu sein.

WE: Was macht ein gelungenes Bühnenbild aus?

Dominik Steinmann: Das ist schwierig zu sagen. Ich denke, jeder hat seinen eigenen Katalog dafür, was ein „gelungenes“ Bühnenbild ausmacht. Ich persönlich mag besonders die Räume, die in einer künstlerischen Weise etwas sichtbar machen, das so in der Realität nicht existiert. Beispielsweise die Verschmelzung von zwei Raumzuständen, die eigentlich nicht zusammengehören. Ich finde, das ist generell eine gute Beschreibung dafür, was Kunst leisten kann: Sie schafft es, Dinge in Erscheinung treten zu lassen, die sonst nur als Idee in unserem Kopf stecken. Man könnte pauschal vielleicht sagen, dass Kunst die Bildwerdung von Ideen ist. Kann man das einer Bühne phantasievoll ablesen, würde ich sie persönlich als gelungen bezeichnen.

WE: Wie haben sich die Bühnenbilder und Kostüme über die Jahre verändert?

Dominik Steinmann: Da gibt es eine ganze Reihe von Veränderung und Dingen, die sich im Lauf der Zeit geändert haben. Theater ist eine sehr alte Kunstform, die sich stetig, aber langsam verändert. Wenn man beispielsweise die antike Arena (die Urbühne sozusagen) anschaut und sie mit unserer gegenwärtigen Raumdisposition für das Theater vergleicht, ist auf den ersten Blick vieles gleichgeblieben, obwohl über 2.000 Jahre vergangen sind. Das kommt natürlich daher, dass das Theater nach wie vor eine ähnliche gesellschaftliche Funktion besetzt und sich in seiner Urform wenig verändert hat. In der Kunstgeschichte gab es aber auch große Erfindungen, die das Theater revolutionär verändert haben.

Da wäre beispielsweise die Erfindung der Perspektive in der Renaissance: Ab da wurde die offene Arena für die möglichst perfekte Illusion in einen Zuschauer- und einen Bühnenraum hinter einem Rahmen geteilt – wie unsere heutige Guckkastenbühne immer noch funktioniert. Diese Raumaufteilung und das dazugehörige Theaterverständnis, das auch schon 600 Lenzen auf dem Buckel hat, ist meines Erachtens mittlerweile etwas antiquiert und bildet für unsere Arbeit eine echte Hypothek. Eine gegenwärtige Veränderung könnte der Drang zu performativen Räumen sein. Ein kleines Beispiel als Anschauung: Während die Illusionsbühne 100 Eisklötze aus transparentem Kunststoff schafft, die so tun „als ob“ und die Schauspieler dazu „frieren“ spielen, fragt der performative Raum eher danach, was 100 echt schmelzende Eisblöcke mit den Schauspielern auf der Bühne anstellen.

WE: Was war das aufwändigste Kostüm und die aufwändigste Produktion, die du je betreut hast?

Dominik Steinmann: Ich denke, das war eine Arbeit für die Junge Oper in Stuttgart. Ich habe für das Stück Kostüme mit filigranen Pflanzenmotiven entworfen. Mehrere Mitarbeiter haben dann wochenlang in Handarbeit mit Pinsel an der Umsetzung weniger Kostümteile gearbeitet. Parallel dazu haben zwei Tischler mit ihren Stichsägen sechs Wochen lang die passenden Silhouetten für die Bühne in Sperrholz geschnitten – da wurde mir bewusst, was ich für einen unglaublich privilegierten Beruf ausübe.

„Büro unbekannt“ als Kunstlabel

WE: Welche Geschichte steckt hinter dem Namen „Büro unbekannt“?

Dominik Steinmann: Das „Büro unbekannt“ entstand vor etwa zwei Jahren nach einem familiären Schicksalsschlag und dem stetig gestiegenen Bedürfnis, meine eigene Kunst außerhalb des Theaters machen zu wollen. „Büro unbekannt“ versteht sich als Label, unter dem verschiedene Kunstformen entstehen. Eigentlich könnte es auch Büro oder Atelier Steinmann heißen. Aber das möchte ich nicht. Es ist das Konzept von „Büro unbekannt“, dass all jene, die für das Label mitarbeiten und produzieren, quasi mit im Namen stecken. Und es ist eben unbekannt, wer das noch alles sein wird und welche Tätigkeiten das Büro in Zukunft noch machen wird.

WE: Du unterstützt dabei sozial benachteiligte Jugendliche und Flüchtlinge. Wie kam es dazu, und wie sieht diese Unterstützung aus?

Dominik Steinmann: Meine Werkstatt befindet sich auf einem leerstehenden Klinikgelände im Norden Berlins. Größtenteils wurden die Häuser des Quartiers schon in Wohnungen oder Schulen und Kitas umgenutzt. Ein Haus, das Ehrlichhaus, steht noch immer leer und wartet auf seine neue Nutzung. Es gibt die Idee, es zu einem Haus für Soziales und Kunst werden zu lassen. Während einer Projektwoche haben wir das alte Krankenhaus in dieser neuen Funktion getestet und geschaut, wie freiwerdende Synergien dieser beiden Aspekte aussähen. Dabei entstand „upcycling furniture“: Ein partizipatives Designformat, bei dem wir mit der alten Krankenhauseinrichtung neue Designgegenstände gebaut haben und so die Geschichte des Hauses in seiner alten Funktion archiviert haben und mit den entstandenen Möbeln eine neue Zeit einläuteten. Die beteiligten Unbekannten waren in diesem Fall eben auch Flüchtlinge und sozial benachteiligte Jugendliche. Die gemeinsame Arbeit wird dabei zur universellen Sprache, eine Sprache, die verbindet und kaum Worte braucht. Dieses gemeinsame Werkeln an etwas funktioniert wunderbar für kulturelle und soziale Integration. Mein Anspruch mit „Büro unbekannt“ ist es, Kunst zu machen und dabei soziale Verantwortung zu übernehmen.

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