Kopftuch-Debatte: Fachschaftsinitiative meldet sich zu Wort

Katharina Kraus

27. Oktober 2017

Gelände der Universität am Hubland. Foto: Dominik Ziegler
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Gelände der Universität am Hubland – Foto: Dominik Ziegler

Wie berichtet, wurde eine Studierende während einer Politikwissenschaftsvorlesung in der Uni Würzburg von einer Professorin verbal angegriffen, da sie mit Kopftuch in der Vorlesung saß. Viele Kommilitonen verließen aus Solidarität den Hörsaal. Die Grüne Jugend veröffentlichte daraufhin eine Pressemitteilung und wirft der Professorin eine untragbare Diskriminierung der Studentin vor. Nach Statements von Uni und Professorin Müller-Brandeck-Bocquet meldet sich nun auch die Fachschaftsinitiative Political and Social Studies (PSS) Würzburg zu Wort.

Ungekürzte Stellungnahme

„Unsere Aufgabe als Fachschaftsinitiative PSS ist es, für die Studierenden des Fachs „Political and Social Studies“ einzutreten. Das Verhalten von Professorin Müller-Brandeck-Bocquet in der Vorlesung „Internationale Beziehungen“ am Mittwoch, den 25. Oktober 2017, verurteilen wir als Fachschaftsinitiative Political and Social Studies aufs Schärfste.

Zu Beginn der Vorlesung forderte Professorin Müller-Brandeck-Bocquet von uns Studierenden ein, alle Kopfbedeckungen als Zeichen des Respekts abzulegen. Dieser Forderung kamen aus dem Kreis der rund 250 Studierenden zunächst nur Träger von Base-Caps nach, nicht aber eine aufgrund individueller Entscheidung Kopftuch tragende Studierende. Daraufhin forderte sie die Betroffene persönlich auf, ihre Kopfbedeckung abzulegen. Die Professorin stellte unsere Kommilitonin durch die Behauptung an den Pranger, dass ihr durch das Tragen eines Kopftuches freies und wissenschaftliches Denken an einer Universität nicht möglich sei.

Das Tragen eines Kopftuches bringe eine religiöse Haltung mit in den Hörsaal. Zudem polemisierte sie mit dem Ausspruch „Wehret den Anfängen!“ und kündigte an, die nächste Vorlesung mit einem Schlapphut bekleidet zu halten.

Die an eine einzelne Studierende oder Gruppe von Studierenden gerichtete Aufforderung des Abnehmens des Kopftuches oder anderer Kopfbedeckungen entbehrt jedoch aktuell jeder rechtlichen Grundlage. Insbesondere eine einzelne Studierende an den Pranger zu stellen ist weder zeitgemäß noch anständig. Dies ist der Professorin auch nicht gestattet.

„Unangebrachte Verhaltensaufforderungen“

Frau Professorin Müller-Brandeck-Bocquet steht es zu, ihre persönlichen Ansichten über Respekt und über die Trennung von Staat und Religion in Veranstaltungen, Diskussionen und Aufsätzen kundzutun und sich im öffentlichen Diskurs für eine Änderung der rechtlichen Lage in der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen.

Im Gegensatz zu Staatsbediensteten sind Studierende einer öffentlichen Universität keine Vertreter des Freistaats Bayern oder der Bundesrepublik Deutschland. Somit sind sie nicht an Neutralitätsgesetze oder -Gebote für Staatsbedienstete gebunden. Die unangebrachten Verhaltensaufforderungen von Professorin Müller-Brandeck-Bocquet rufen bei zahlreichen Studierenden starke Bedenken über einen weiteren Besuch ihrer Veranstaltungen hervor.

„Solidarität mit Betroffener“

Die Reaktionen der Studierenden und diese Stellungnahme der Fachschaftsinitiative PSS zeigen die entschiedene Solidarität mit der Betroffenen und setzen ein Zeichen gegen den Machtmissbrauch einer Professorin. Ohne ein Einsehen ihres Fehlverhaltens und eine öffentliche Entschuldigung bei der Betroffenen wird auch in Zukunft das Verhältnis zwischen den Studierenden und der Professorin stark beschädigt bleiben. Wir erwarten außerdem eine klare Distanzierung vom Verhalten von Professorin Müller-Brandeck-Bocquet durch das Institut für Politikwissenschaften und Soziologie und der Universitätsleitung der Universität Würzburg.

Diese Forderungen sind für uns nicht verhandelbar! Wir hoffen, dass in Zukunft eine solche persönliche Diskriminierung an der Universität Würzburg keinen Platz mehr hat.

Gezeichnet, Würzburg am 26.Oktober 2017: Im Namen der Fachschaftsinitiative Political and Social Studies Würzburg

Die Verfasser: Louis Pienkowski, Sprecher der Fachschaftsvertretung der Fakultät für Humanwissenschaften
und Jaakob Hansen, die Betroffene, Julia Boving, Minenur Safak, Lennart Tiller, Veronika Warzycha, Teresa Schütz, Johanna von Andrian-Werburg, Niklas Heißwolf, Theresa Haas, Luisa Sarro, Celia Hartung, Lukas Kerkhoff, Kolja Knodel, Lena Bidinger, Janis Müller-Späth, Robert Patzer, Michael Krah, Janosch Tölkes-Annen, Valerie Schmidt

Kopftuch erlaubt, Verschleierung verboten

Dass es keine gesetzliche Regelung gibt, die das Tragen eines Kopftuches an bayerischen Hochschulen verbietet, bestätigte uns auch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Anders sieht es aus, wenn es um um eine „Verschleierung“ – also das Verhüllen des Gesichtes – geht: Dies ist nach Art. 18 Absatz 3 des Bayerischen Hochschulgesetzes folgendermaßen geregelt: „Mitglieder der Hochschule dürfen in Hochschuleinrichtungen und bei Hochschulveranstaltungen ihr Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, Hochschulbelange stehen dem entgegen. Zur Vermeidung einer unbilligen Härte kann die Hochschule Ausnahmen zulassen.“

Dies entspricht – in Bezug auf verbeamtete Mitglieder der Hochschule – dem Bayerischen Beamtengesetz, vgl. Art. 75 Abs. 1: „Beamte und Beamtinnen dürfen bei Ausübung des Dienstes ihr Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche Gründe erfordern dies.“, so das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.

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