Studi(o)bühne: Zwischen Drama, Liebe und Intrigen
Wuerzburgerleben
15. Januar 2019

Die Studiobühne führte im Sommersemester 2018 das Stück "Nachtasyl" von Maxim Gorki auf. Foto: Jana Marschner.
Jedes Semester finden in der Mensa zahlreiche Aufführungen des Theaters der Uni Würzburg statt. Wie viel Arbeit und Leidenschaft die Bühnenmaler, Regisseure, Schauspieler, Organisatoren und viele mehr dabei hineinstecken, bekommt ein Besucher (leider) oft gar nicht mit. Johanna, die Referatsleitung der Studi(o)bühne, erzählt gemeinsam mit Regisseur Florian und Schauspieler Philipp im Interview, was sich hinter den Kulissen alles abspielt und was man mitbringen sollte, wenn man mitmachen möchte.
Würzburg erleben(WE): Wie bist Du zur Studi(o)bühne gekommen und was ist deine Aufgabe?
Johanna: Ich bin momentan im siebten Hochschulsemester und seit meinem ersten Semester bei der Studi(o)bühne dabei. Zuerst war ich “nur” Schauspieler bei Dracula. Im Jahr darauf habe ich Regie geführt und seit dem Sommer 2017 bin ich im Organisationsteam, seit Oktober 2018 die Referatsleitung. In diesen doch nunmehr dreieinhalb Jahren habe ich bei der Studi(o)bühne bei insgesamt sieben Projekten mitgewirkt: mal als Regie, mal als Schauspieler oder Orga-Verantwortlicher.
Florian: Ich kam eher zufällig dazu, war bei meinem ersten Treffen auch eine Stunde zu spät und kam, als sich die Leute schon auf die Produktionen aufgeteilt haben. Ich hatte damals noch keine Ahnung von der Studi(o)bühne und stellte mich zur ersten Gruppe dazu. Die suchten zufällig einen Regisseur, ich bin dabei geblieben und habe schließlich die Regie in „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn übernommen. Seitdem habe ich bei zwei weiteren Stücken Regie geführt und war bei anderen beratend dabei.
Philipp: Ich bin Philipp, studiere Physik im 11. Semester und bin seit dem 1. Semester bei der Studiobühne dabei. Eine Freundin hat dort mitgespielt und ich habe mir, als ich noch in der Schule war, ihr Stück „Komödie im Dunkeln“ angesehen. Das war einfach so unglaublich lustig, dass ich sowas auch unbedingt machen wollte. Also hat sie mich gleich in meinem ersten Semester mit zur Studiobühne gebracht und seitdem kann ich einfach nicht mehr aufhören. Ich spiele eigentlich nur, dieses Jahr habe ich aber auch mal ein Stück gestartet und übernehme neben einer Rolle auch einiges an Organisation.
WE: Was ist die Studi(o)bühne?
Johanna: Das UniTheater Würzburg, die Studi(o)bühne, ist ein Referat der Studierendenvertretung der Uni Würzburg. Gegründet wurde sie vom Arbeitskreis Kultur im Wintersemester 2005/2006, mittlerweile ist sie mit etwa 150 Mitgliedern das größte Referat der Studierendenvertretung. Die Studi(o)bühne ist eine studentische Theatergruppe. Das heißt, sie wird von Studierenden geleitet und die einzelnen Stücke, welche jedes Semester unter dem Namen der Studi(o)bühne aufgeführt werden, sind von den Studierenden komplett selbst erarbeitet und auf die Bühne gebracht. Das heißt aber nicht, dass alle Nicht-Studierenden komplett ausgeschlossen werden, wir haben auch ein paar ehemalige Studenten unter uns, die noch nicht ganz von der Studi(o)bühne lassen konnten.
WE: Wie ist die Studi(o)bühne strukturiert?
Florian: Jedes Semester werden Stücke aufgeführt, die je im Rahmen einer Probenzeit von etwa acht Monaten erarbeitet werden. Die einzelnen Produktionen sind im Grunde selbstorganisiert und selbstverantwortlich. Als verbindendes Element gibt es das Organisationsteam der Studi(o)bühne. Dieses kümmert sich unter anderem um die Kommunikation der Gruppen untereinander und die Kommunikation mit der Studierendenvertretung und dem Studentenwerk, dem Betreiber der Mensaterien der Universität Würzburg, in dessen Räumen wir aufführen.

Die Studiobühne führte im Sommersemester 2018 das Stück „Nachtasyl“ von Maxim Gorki auf. Foto: Jana Marschner.
WE: Welche Aufgaben hat die Referatsleitung?
Johanna: Als Referatsleitung besteht die Hauptaufgabe darin, den reibungslosen Ablauf der Proben und Aufführungen zu gewährleisten. Die Referatsleitung wird seit dem Wintersemester 2015/16 von dem Organisationsteam unterstützt. Eine Gruppe, die sich aus engagierten Mitgliedern des UniTheaters zusammensetzt. So soll mehr Kapazität für zusätzliche Angebote und Aktivitäten geschaffen werden.
Florian: Im Grunde soll das Organisationsteam den einzelnen Produktionen helfen, sich auf die Arbeit am Stück zu konzentrieren und Theater zu machen. Als die Studi(o)bühne noch kleiner war und es nur drei bis vier Stücke im Jahr gab, war es kein Problem, die Stücke sich selbst zu überlassen. Da wir nun aber bei zwölf bis sechzehn Stücken im Jahr angekommen sind, braucht es eine zentrale Instanz, die sich darum kümmert, dass alles gerecht und mit rechten Dingen zugeht.
WE: Wie viele Aufführungen habt ihr ungefähr? Wie viele verschiedene Stücke? Ändert sich das jedes Jahr?
Florian: Aufführungen gibt es jährlich etwa zwölf bis sechzehn, man kann mit sechs bis acht Stücken pro Semester rechnen. Wir führen hauptsächlich Ende April bis Ende Juni und Ende Oktober bis Mitte Dezember auf. Die Zahl der Stücke hängt immer davon ab, wie viele Studierende ein Stück beim großen Treffen Anfang des Semesters vorstellen.
WE: Wie entscheidet ihr, welches Stück ihr spielen wollt?
Florian: Am Anfang jedes Semesters treffen sich alle Leute, die Interesse haben, bei der Studi(o)bühne dabei zu sein, egal ob als Regie, im Schauspiel, Bühnenbild, Kostüm. Das Treffen ist meist in der zweiten Woche jedes neuen Semesters, Sommer wie Winter. Dort können alle, alte Hasen wie komplette Neu-/Erstlinge, Stücke und Projekte vorstellen, die sie interessant finden. Am Ende der Vorstellungsrunde können die Anwesenden dann entscheiden, welche Stücke für sie interessant klingen und können sich an der Produktion beteiligen. Es gibt also keine Vorschriften von Seiten der Leitung oder des Organisationsteams, die Mitglieder entscheiden, worauf sie Lust haben und was sie machen wollen.

Die Studiobühne führte im Wintersemester 2018/2019 das Drama „Geschlossene Gesellschaft“ des Philosophen Jean-Paul Sartre auf. Foto: Tobias Schmidt.
WE: Hattet ihr schon Theatererfahrung?
Johanna: Als ich nach Würzburg und zur Studi(o)bühne kam, hatte ich keinerlei Theatererfahrung (kleine Aufführungen in Kindergarten und Grundschule zähle ich an dieser Stelle nicht mit). An meinem Gymnasium gab es damals keine aktive Theaterszene. Es hat mich jedoch schon immer sehr interessiert. Als ich dann nach Würzburg kam, habe ich die Chance ergriffen und mich der Studi(o)bühne angeschlossen.
Florian: Ich hab zu Schulzeiten schon Theater gemacht, damals als Schauspieler. Danach habe ich 18 Monate am Mainfranken Theater Würzburg gearbeitet, im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres im Bereich Kultur. Zum Studienanfang hatte ich dann erstmal genug von Theater und hab zwei Jahre Pause gemacht, bis ich zur Studi(o)bühne kam.
Philipp: In der fünften Klasse habe ich mal eine Rolle mit einem Satz gespielt. Aber eigentlich nicht. Das lernt man dann aber alles ganz schnell, wenn man dabei ist.
WE: Wie war eure erste Aufführung – wart ihr sehr aufgeregt?
Johanna: Meine erste Aufführung war damals Dracula. Ich war gerade mal 18 Jahre alt, war „frisch“ in einer neuen Stadt und mit dem Theater als solches so gut wie gar nicht vertraut. Deswegen war ich natürlich sehr aufgeregt. Ich hatte jedoch viele tolle Co-Schauspieler, die mir gut zugesprochen und mich beruhigt haben. Und ich weiß noch, dass ich mich nach der ersten Aufführung unglaublich gut gefühlt habe und noch stundenlang voller Erwartung auf die nächste Aufführung wachgelegen bin.
Florian: Nein. Als Regisseur stellt sich auch kein so klassisches Gefühl der Aufregung bei mir ein. Ich bin dann vielmehr ruhig und schaue einfach das Stück an. Während der Aufführung kann man als Regisseur nicht viel mehr machen als seinen Schauspielern und der Arbeit der letzten Monate zu vertrauen.
Philipp: Es war super lustig und im Gegensatz zur Generalprobe hat auch wundersamerweise alles funktioniert. Natürlich war ich hinter dem Vorhang vor meinem Auftritt furchtbar aufgeregt, vor so vielen Leuten zu stehen, aber wenn man dann ins Licht tritt, vergisst man das. Dann gibt es nur noch die Szene und man spielt einfach.
WE: Was war das Lustigste, das Euch bis jetzt auf oder hinter der Bühne passiert ist?
Johanna: Mir persönlich sind die lustigsten und schönsten Erinnerungen meistens die aus der Zeit davor. Man wächst unglaublich mit den Menschen zusammen, mit denen man ein Stück auf die Beine stellt. Man streitet sich, man lacht zusammen, man arbeitet zusammen. Ud kurz vor den Aufführungen verbringt man jede freie Minute mit ihnen. Für mich gibt es nicht den einen „lustigen Moment“. Die ganze Probenphase ist voller lustiger Momente aber auch trauriger Momente. Momente, in denen man total müde und ausgelaugt ist und Momente, in denen man sich gegenseitig zu besseren Leistungen anfeuert.
Philipp: Am lustigsten sind eigentlich immer die Dernieren. Das sind die letzten Vorstellungen eines Stückes und die Schauspielenden versuchen sich immer ein bisschen gegenseitig aus der Reserve zu locken. Da baut man mal einen Insider in den eigenen Text ein oder verarscht das Gegenüber ein bisschen auf der Bühne, aber im Optimalfall so, dass niemand es merkt.
Bei einem Stück gab es mal eine, die eine Schwangere gespielt hat. Sie hat sich bei der letzten Vorstellung eine Wasserbombe unter das Kleid gesteckt und sie an passender Stelle platzen lassen, um die Fruchtblase vorzutäuschen. Das stand gar nicht im Skript und ihr „Ehemann“ war mit der Situation ein bisschen überfordert, musste das Spiel aber im wahrsten Sinne des Wortes mitspielen. Wir haben uns hinter der Bühne weggeschmissen.
WE: Wie wird das Angebot angenommen? Welche Stücke finden den meisten Zuspruch?
Florian: Das Angebot wird gut angenommen! Wir haben bei den Aufführungen durchschnittlich wahrscheinlich 200 Zuschauer, mit etwa vier Aufführungen pro Produktion sind das also 800 Zuschauer pro Stück. Viele davon sind auch Studenten, mit den ein oder anderen Familien der in der Produktion beteiligten Studierenden natürlich. Von den Stücken her würde ich sagen, dass heitere Stücke und Komödien besser ankommen als Tragödien und zeitgenössische Stücke, aber insgesamt sind die Besucherzahlen ausgeglichen.

Die Studiobühne führte im Sommersemester 2018 die Kriminalkomödie „Die 39 Stufen“ von John Buchan und Alfred Hitchcock auf. Foto: Benedikt Korkmaz.
WE: Wie verläuft die Vorbereitung für ein neues Stück (welche Schritte sind notwendig) und wie oft trefft ihr Euch zum Proben?
Florian: Nach der Vorstellung beim ersten Treffen des Semesters trifft sich die Gruppe des Stücks nochmal und verteilt die Rollen im Stück, sowohl Schauspieler als auch Regie, Bühnenbild, Kostüm und Organisation des Stücks und der Proben. Und was danach geschieht, hängt ganz von den Leuten ab. Manche Stücke starten sofort in die Proben mit den Schauspielern, manche Stücke machen erst viel Vorbereitung und Textarbeit und proben klassisch mit den Schauspielern erst nach ein paar Wochen oder Monaten. Jedes Stück ist da in dem Sinne frei und kann machen, was das Regieteam in Absprache mit den Schauspielern für das Beste hält. Es hat sich aber eingebürgert, dass sich die Beteiligten der einzelnen Stücke etwa einmal pro Woche treffen und proben.
Philipp: Zuerst muss man natürlich ein Stück finden, das einen interessiert und sich überlegen, ob es überhaupt grundsätzlich umsetzbar ist. Dann liest man es einige Male, macht sich Gedanken, welche Personen man braucht, welche man mit einem anderen Geschlecht besetzen kann und so weiter. Dann muss man casten und eine Truppe für Bühnenbild, Technik, Kostüm zusammenstellen. Die Verlage kontaktieren und die Rechte sichern. Probentermine und Räume organisieren. Wir proben im Schnitt einmal pro Woche, abends, meistens zwei bis drei Stunden. Gegen Ende, wenn es dann langsam eng wird und man alles zusammenbringen muss, dann auch öfter. Meistens fährt man auch gemeinsam ein Wochenende zusammen weg. Da wird natürlich nicht nur geprobt, sondern auch viel gefeiert.
WE: Woher nehmt ihr Euch die ganzen benötigten Materialien?
Johanna: Natürlich haben wir einen eigenen Fundus, in dem wir Kostüme und Bühnenbildteile lagern, auf die jede Produktion auch zugreifen darf. Das ist also immer der erste Anlaufpunkt. Wenn dort nichts vorhanden ist, kümmert sich jede Gruppe selbst um die Beschaffung ihrer Materialien. Beliebt sind zum Beispiel Second-Hand-Läden und Flohmärkte für Kostüm und Requisite.
WE: Wo probt ihr? Und wo führt ihr auf?
Florian: Wir proben in den Räumen des Studentenwerks, also in der Mensa am Sanderring und anderen Räumen desselben Gebäudes. Das Studentenwerk unterstützt uns und stellt uns die Räume für Proben zur Verfügung. Im selben Gebäude haben wir auch ein paar Räume zur Verfügung, die wir dauerhaft als Requisiten- und Bühnenbildlager nutzen.
WE: Am Tag der Aufführung: Was läuft alles im Hintergrund ab, wovon der Besucher nichts mitbekommt?
Philipp: Das Umschminken, das ganz leise aufs Klo gehen, das sich Mut zu sprechen, noch schnell mal den Text wiederholen. Irgendwann kann man auch viel vom Text der anderen und spricht ihn im Chor hinter der Bühne mit. Es gibt immer viel zu lachen und auch häufiger mal ein bisschen Drama, aber eigentlich geht immer alles gut.
WE: Was kostet der Besuch einer Aufführung? Von wann bis wann sind die Aufführungen?
Florian: Der Eintritt ist frei! Aber wir bitten am Ausgang am Ende um Spenden, um die Studi(o)bühne weiter finanzieren zu können. Jedes Stück hat eine Aufführungswoche, Montag bis Freitag, in der es seine vier Aufführungen beliebig verteilen kann. Und dann gibt es sieben bis acht Wochen eben jede Woche etwas Neues zu sehen. Was genau kommt, kann man auf Facebook und auf unserer Website auch gut nachschauen.

Die Studiobühne führte im Sommersemester 2017 das Stück „Lysistrate“ auf. Foto: Lilian Haetinger.
WE: Wenn ich jetzt auch Lust hätte mitzumachen, was sollte ich mitbringen?
Johanna: Es kann grundsätzlich jeder mitmachen. Man braucht keine Vorerfahrungen oder ähnliches. Das einzige was man mitbringen sollte, ist die Lust in einer Gruppe gemeinsam Theater zu machen.
WE: Warum machst du Theater?
Philipp: Zum einen macht es einfach Spaß, mal in einen komplett anderen Charakter zu schlüpfen. Im echten Leben kommt man nicht so oft dazu, ein Scheich, Bankdirektor oder grummeliger alter Opa zu sein (okay letzteres geht vielleicht schneller als gehofft). Da kann man sich ausprobieren, man lernt auch viel über sich selbst. Es ist auch einfach eine tolle Stimmung in der Gruppe. Theatermenschen sind einfach ein verrückter Haufen, die alle an der richtigen Stelle einen Sprung in der Schüssel haben. Man nimmt sich selbst nicht so ernst und albert viel rum. Das mag ich einfach. Und man kann jetzt auch nicht verleugnen, dass es einfach ein tolles Gefühl ist, vor vielen Leuten auf der Bühne zu stehen, die einem gebannt zusehen, die man zum Lachen oder Weinen bringen kann. Wenn alles gut läuft bekommt man sogar Applaus.
Für mich ist es aber auch einfach ein guter Ausgleich. Als Physiker arbeite ich den ganzen Tag mit meinem Kopf und immer sehr logisch. Beim Theater kann ich mich körperlich ausleben und die Emotion steht im Vordergrund. Das reinigt und entspannt. Und man hat Kontakt zu Leuten aus ganz vielen verschiedenen Studiengängen (oder Berufen, wir haben auch einige, die gar nicht studieren, und trotzdem dabei sind). Die Abwechslung ist einfach toll und bereichert zumindest mein Leben ungemein.