So feiern Würzburger aus dem Ausland Silvester
Philipp Heilgenthal
30. Dezember 2022

Fünf Würzburger aus dem Ausland erzählen, wie bei ihnen traditionell Silvester gefeiert wird. Fotos: Privat, Phlipp Heilgenthal
Nicht überall auf der Welt feiert man Silvester mit Bleigießen, Raclette und Dinner for One. In anderen Ländern wird schon mal die Gartenzauntür geklaut, im Eiswasser getaucht oder nach Mitternacht noch mal ein warmes Festessen serviert. Wir haben daher sechs Würzburger aus dem Ausland befragt, wie bei ihnen typischerweise das neue Jahr feiert und was man dort überhaupt statt „Prost Neujahr“ sagt.
Giulia Gasparella aus Italien: „Wir essen nach Mitternacht Linsen und tragen dabei rote Unterwäsche“

Giulia Gasparella (28) kam 2019 nach Würzburg – damals noch als Erasmusstudentin. Inzwischen arbeitet die Italienerin in der Mainfrankenmetropole als Business Managerin. Foto: Giulia Gasparella.
„In Italien bleibt man am Cappo d’Anno (Jahresende) in der Regel mit Freunden unter sich daheim und isst und trinkt jede Menge – an Feiertagen gibt es oft ein stundenlanges Festmahl. Auch nach zwölf Uhr gibt es noch einmal etwas Warmes zu essen: Linsensuppe mit gebratenen Scheiben einer kräftigen Wurst namens ‚Cotechino‘. Die Wurst ist nicht so wichtig, aber Linsen muss man in der Neujahrsnacht unbedingt essen! Die erinnern nämlich an Geldmünzen und sollen im neuen Jahr deshalb Glück und Wohlstand bringen.
Direkt um zwölf Uhr wird vor allem in meiner Region Veneto (Nordostitalien) mit original Prosecco angestoßen und man wünscht sich ‚Felice anno nuovo‘, also ein glückliches neues Jahr. Ähnlich wie hier gibt es dann Feuerwerk an jeder Ecke. Wir Italiener sind sehr abergläubisch. Deswegen nehmen wir auch einen anderen Brauch ernst: Am letzten Tag des Jahres sollte man rote Unterwäsche tragen. Das bringt für’s neue Jahr Leidenschaft und Glück – vor allem in der Liebe. Wichtig ist dabei – warum, kann ich mir auch nicht erklären – dass die Unterwäsche vorher noch nie getragen wurde.“
Hecham Marouf aus Syrien/VAE: In Syrien kleines Familienfest, in den VEA protziges Showevent

Der Syrer Hecham Marouf (36) lebte in seiner Kindheit abwechselnd in Syrien und in den Vereinigten arabischen Emiraten. 2006 zog er nach Deutschland und seit 2008 lebt der Bio-Chemie-Masterstudent und Lehrstuhlmitarbeiter in seiner Wahlheimat Würzburg, bzw. Gerbrunn. Foto: Hecham Marouf.
Muslimische Araber feiern ursprünglich eigentlich Mohammeds Ankunft in Medina als Neujahrsfest. Dieser Tag fällt im westlichen Jahreskalender jedes Jahr auf einen anderen Tag. „Aber sowohl in Syrien als auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind Einwohner und Staat deutlich weniger fundamental religiös als zum Beispiel in Saudi Arabien“, erklärt Hecham. Deshalb feiert man in beiden Ländern genau wie hier den 31.12. als Jahreswechsel.
Fast schon fränkisch direkt und frech
In Syrien ist der Tag allerdings wenig bedeutsam. Es wird immer Zuhause im Kreise der Familie bei einem Festmahl gefeiert. Dabei darf natürlich wie immer Humus nicht fehlen. Selbst christliche Syrierinnen und Syrier feiern Silvester nicht groß. Feuerwerk gibt es kaum und kurz nach Zwölf gehen die meisten schon schlafen. Zuvor wünschen sich Araberinnen und Araber jedoch wörtlich übersetzt „Wie jedes Jahr wünsche ich dir alles Gute“. „Das klingt übersetzt fast schon fränkisch direkt und frech“, schmunzelt Hecham. Dabei hat der schwer zu übersetzende Satz in Wahrheit – wie so vieles in Arabisch – eine poetisch-höfliche Bedeutung. „Das wünschen wir uns übrigens auch zum Geburtstag“, sagt der Syrier.
Großer westlich-globaler Einfluss
Wie vieles andere hat sich auch der Silvesterabend in den Vereinigten Arabischen Emiraten in den letzten Jahren stark verändert. Durch den Einfluss vieler europäischer Ausländer und vor allem aufgrund der vielen reichen Touristen aus aller Welt hat sich der Jahreswechsel zu einem großen Showevent entwickelt. „Traditionen weichen hier im rasanten Tempo der Moderne“, beobachtet der Bio-Chemiker. Dementsprechend protzig und professionell seien dort die Feuerwerksshows und alles drumherum inzwischen. Danach wird bei angenehmen Temperaturen um die 20°C die ganze Nacht gefeiert. „Typischerweise gibt es in dieser Nacht in den allermeisten Cafès Dubais und Abu Dhabis Livemusik mit zum Teil berühmten arabischen Sängern“, erzählt Hecham.
Adrian Mazurkiewicz aus Polen: Versteckte Gartenzauntüren und gefühlt halb Polen in Berghütten

Adrian Mazurkiewicz (30) aus Breslau arbeitet als Elektroingenieur in Kitzingen und lebt seit 2020 in Würzburg. Foto: Adrian Mazurkiewicz.
Wie in Deutschland feiert man im sehr katholisch geprägten Polen ebenfalls „Silvester“. Doch der Todestag des heiligen Papstes Silvester I. wird in unserem Nachbarland alles andere als geistlich-ehrfürchtig zelebriert. „An diesem Tag musst du in Polen eine große, besondere Party machen!“, weiß Adrian. Dazu gibt es von der legeren Hausparty über Kostümparty bis zum förmlichen Ball mit Frack und Hut beziehungsweise Abendkleid viele Möglichkeiten, den Silvesterabend als einen besonderen Anlass gebührend zu gestalten. Erwachsene gehen auch gerne schick auf eine Party im Restaurant. „Unglaublich beliebt ist es auch, sich eine Hütte in den Bergen zu mieten, wie ich das dieses Jahr mit mehreren Freunden tue. Da ist gefühlt halb Polen in den Bergen. Oft muss man dafür schon im Juli eine Hütte mieten.“ Da die Polen für die Weihnachtsfeiertage unglaublich viele große Gerichte zubereiten, gibt es an Silvester oft noch die Reste von den Festtagen.
Uralter Brauch nur aus Blödsinn?
Auf dem Land gibt es in Polen am letzten Tag im Jahr eine kuriose, lustige Tradition: Am Silvesterabend heben sich Nachbarinnen und Nachbarn gegenseitig heimlich die Garten- oder Weidezauntüren aus und verstecken sie im näheren Umfeld des jeweiligen Hauses. Der Brauch erinnert daher an den Maibaumklau hierzulande. „Diese Tradition ist schon so alt, dass sogar unklar ist, ob sie überhaupt eine feste Bedeutung hat oder ob man am Ende des Jahres einfach noch einmal Blödsinn macht“, erzählt Adrian.
Polnische Böller ohrenbetäubend laut
Ist es dann Mitternacht wünscht man sich nicht nur „Szczęśliwego Nowego Roku“ (viel Glück im neuen Jahr), sondern spricht Freunden und Familienmitgliedern ganz persönliche Wünsche für das neue Jahr aus. „Man kann sogar Fremden, die neben einem stehen, etwas wünschen“, erzählt der 30-Jährige, der seit 2020 in Würzburg wohnt. Begleitet werden die Wünsche von großem Feuerwerk mit ohrenbetäubend lauten Böllern. „Die haben in Polen schon ordentlich Power. Ich habe noch nie gehört, dass bei uns irgendwelche Feuerwerkskörper verboten wären, weil sie zu laut oder zu gefährlich“, entsinnt sich Adrian.
Sami Maukonen und Katriina Viljanen aus Finnland: An Silvester in die Sauna und ins Eiswasser

Katriin Vijanen (35) studiert soziale Arbeit im Master, Sami Maukonen (26, im Bild mit seiner Freundin am vergangenen Silvester) studiert Medizin. Beide verbringen derzeit ein Auslandssemester in Würzburg. Fotos: Philipp Heilgenthal, Sami Maukonen.
In Finnland feiert man den „Uudenvuodenaatto“ (Neujahrsabend) fast überall im Privaten – entweder mit Freunden oder mit mehreren anderen Familien zusammen. Ein langes, aufwendiges Buffet gibt es nicht. „Wir haben die schlechte Angewohnheit, generell sehr schnell zu essen“, sagt Katriina, die „Katy“ genannt wird. Nach dem Essen hat Sami früher mit seiner Familie und allen angehörigen jedes Jahr Zinn (früher Blei) gegossen. Was man hierzulande als typisch deutsche Tradition kennt, hat in Finnland eine noch höhere Bedeutung als bei uns.
Feuerwerk kommt besonders schön zur Geltung
Durch die klare Luft und den wenigen anderen Lichtern im dünnbesiedelten Land kommt das Silvesterfeuerwerk in Finnland unvergleichlich schön zur Geltung, wie die beiden Erasmusstudenten schildern. Schon ab 18 Uhr steigen die ersten Raketen in den Himmel, wenn es längst stockdunkel ist. Unter den Gruppen in der Nachbarschaft gebe es immer einen regelrechten Wettstreit um das größte Feuerwerk, während man sich „Hyvää uutta vuotta“ (frohes neues Jahr) wünscht. Dass die Finnen deshalb lange Zeit in der subarktischen Kälte stehen, schreckt dort niemanden ab. „Wir ziehen uns einfach sehr warm an“, meint Katy und Sami ergänzt: „Egal ob jung oder alt: man ist dabei sowieso ständig in Bewegung, beschäftigt oder zumindest von der Kälte abgelenkt.“
Sauna geht immer – eine neue Tradition?
Ohnehin seien die Finnen hartgesotten. Wie an den meisten anderen Tagen auch, gehen die Nordländer am Jahresende gerne in die Sauna und danach ins Eiswasser. „Letztes Jahr tauchte ich nach dem Saunagang gegen 22 Uhr zwölf Mal (für jeden Glockenschlag um Mitternacht) im Eiswasser ab. Vielleicht kann ich das in Zukunft als finnische Silvestertradition etablieren“, scherzt Katy.
Yuliya Denysenko aus der Ukraine: Silvester als Familienweihnachtsfeier

Yuliya Denysenko (25) studiert Psychologie und zog in ihrer frühen Kindheit mit ihrer Familie nach Bremen. Für ihr Bachelor- und Masterstudium kam die Ukrainerin nach Würzburg. Foto: Yuliya Denysenko
Die Daten der Weihnachtsfeiertage in der Ukraine und in Russland erscheinen hierzulande etwas verwirrend. Da die orthodoxe Kirche den gregorianischen Kalender nicht übernommen hat, „hängen“ orthodoxe Feiertage eigentlich immer 14 Tage nach. So fällt der ursprüngliche Neujahrsabend auf den 13. Januar. „Das Datum hat in der Ukraine de facto aber kaum eine Bedeutung“, erklärt Yuliya. Auch den orthodoxen Heiligabend am 06. Januar feiern die meisten Ukrainer nicht groß. „Da gibt es nur ein paar kleine Geschenke für die Kinder, wie etwa an Sankt Nikolaus in Deutschland.“
Durcheinander zwischen orthodoxer und sowjetischer Tradition
Das eigentliche Weihnachtsfest feiert man in der Ukraine aber nicht am 24., sondern am 31. Dezember. Diese Tradition stammt aus Sowjetzeiten als unter dem kommunistischen Regime das kirchliche Hochfest verboten war und hat sich bis heute als weltliche Weihnachtsfeier in den mehreren Nachfolgestaaten gehalten. „Deswegen ist Silvester bei uns die wichtigste Familienfeier überhaupt“, sagt die in Kiew geborene 25-Jährige.
In jedem Gericht ist Mayonnaise
An diesem Tag wird der Weihnachtsbaum mit jeder Menge Lametta geschmückt, sodass kaum eine Nadel mehr zu sehen ist und es gibt eine Festspeise nach der anderen. Darunter viel Fleisch, aber auch mehrere exotische Salate. „Die meisten davon sind mit Mayonnaise angemacht. Eigentlich ist in jedem Gericht Mayonnaise“, schmunzelt Yuliya. So auch in mit Thunfisch gefüllten Eiern. Je nach Region und Familie gebe es entweder nach dem Essen oder erst am Neujahrsmorgen die große Bescherung.
Sehr lange, ausführliche Wünsche für das neue Jahr
Zusätzlich wird auch in der Ukraine am 31.12. um Mitternacht das neue Jahr feierlich begrüßt – meist mit großen öffentlichen Feuerwerken. Dann wünschen sich die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht nur ein schönes neues Jahr, sondern auch Gesundheit, Liebe, Erfolg und vieles mehr. „Wir lieben es, uns ganz lange Nachrichten zu schreiben, in denen wir uns alles Mögliche wünschen“, verrät die Psychologiestudentin. Inzwischen hat sich ihre Familie jedoch den Begebenheiten in Deutschland angepasst und feiert Weihnachten schon am 24. und am 31. schließlich ‚nur noch‘ das neue Jahr.