Konzertlocations in Würzburg: Die Nachwehen von Corona

Philipp Heilgenthal

15. Februar 2023

Bei einem Konzert im Immerhin sollte man keine Berührungsängste haben. Foto: Daniel Peter.
Alarmsignal Immerhin

Konzert im Immerhin. Foto: Daniel Peter

Die Corona-Pandemie scheint überstanden, die Nachwehen sind jedoch gerade in der Kulturszene weiterhin stark zu spüren und werden womöglich noch große Narben hinterlassen. Ein scheinbar gesunkenes Interesse an Livemusik trifft Bands wie Veranstaltungslocations gleichermaßen.

Nur bei den Großveranstaltungen läuft es wieder rosig

Im vergangenen Sommer, als alle Corona-Regeln fielen, waren große Festivals wie das Taubertalfestival und andere Großveranstaltungen wie das Konzert von Sting und von Paul Kalkbrenner vor der Würzburger Residenz restlos ausverkauft. Doch bei kleineren Konzerten mit Amateur- und Newcomer-Bands sah es zuletzt weitaus weniger rosig aus. Wie die Main-Post berichtete, würde die Musik- und Kulturszene gerade in dieser Größenordnung derzeit besonders leiden. Wir haben daher bei den beliebtesten kleinen Spielstätten und Konzertkellern in Würzburg nachgefragt, wie es derzeit läuft. Unter anderem gibt es ein Lebenszeichen von der Musikkneipe Omnibus.

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B-Hof: Frei von finanziellem Druck

Christian Weiß von der Pressestelle der Stadt Würzburg gibt sich angesichts der Corona-Pandemie und seinen Nachwehen bezüglich des B-Hofs gelassen. Von großem Vorteil sei, dass man als städtische Einrichtung nicht kommerziell planen müsse. „So ist es uns möglich, Konzerte unabhängig von der Resonanz des Vorverkaufs stattfinden zu lassen“, stellt Weiß klar. Daher könne der B-Hof trotz etwaig gesunkener Nachfrage weiterhin seinem Hauptziel, lokalen Nachwuchsbands eine Bühne geben zu können, getrost nachgehen.

Treues Stammpublikum – auffälliger Trend hin zur Abendkasse

Aufwand und Risiko halten sich für das Jugendzentrum ohnehin in Grenzen, da sich die Bands „um den größten Teil der Öffentlichkeitsarbeit selbst kümmern und oft ihr Publikum selbst mitbringen“, erklärt Weiß. Angst vor Corona hätte bei den im Durchschnitt sehr jungen Gästen niemand mehr. „Gerade unsere Metal-Konzerte haben ein großes und sehr treues Stammpublikum, das auch sehr gerne junge lokale Bands unterstützt und deren Konzerte gerne besucht“, bekräftigt Weiß auf Anfrage. Auffällig sei jedoch seit der Pandemie, dass Besucherinnen und Besucher zunehmend die Abendkasse nutzen und somit häufig erst spontan entscheiden, ob sie ein Konzert besuchen wollen. Die neue Spontanität hat zur Folge, dass Veranstalterinnen und Veranstalter Konzerte immer schlechter vorausplanen können und ohne finanzielle Unterstützung ein hohes Risiko tragen.

 

Omnibus: Bis auf weiteres geschlossen

Seit dem ersten Lockdown blieb die Tür zum Konzertkeller geschlossen. Wie die Main-Post ausführlich berichtete, soll dies auch bis auf unbestimmte Zeit so bleiben. Der mittlerweile über 80-jährige Inhaber Vollkommer beruft sich dabei nach wie vor auf die für ihn unsichere Corona-Lage: „Die Situation ist derzeit noch zu unübersichtlich“ In dem engen Keller würden aus Angst vor einer Ansteckung nur wenige Gäste Konzerte besuchen. „Wir wollen ja auch kein Risiko tragen“, berichtete der seit der Gründung aktive Betreiber der Kneipe der Main-Post. „Da habe ich nach 50 Jahren Omnibus keine Neigung mehr dazu.“

Privatveranstaltungen bald möglich

Um den ständigen Nachfragen zwecks einer Wiedereröffnung zuvorzukommen, nahm Vollkommer nun auch die Facebookseite und die Website des Omnibus vom Netz. Allerdings kündigte er an, der Kultkeller könne bald zumindest privat gemietet werden.

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Keller Z87: Viele, aber wenig besuchte Konzerte

Uwe Dolata, Vorstandsvorsitzender der Keller Z87 eG. Foto: Silvia Gralla.

Seitdem die Restriktionen für Konzerte fallen gelassen wurden, sind die meisten Konzerte im Keller Z87 trotzdem noch oft nur spärlich besucht. Vor allem das ältere Publikum sei noch zögerlich und vorsichtig. Allerdings ist das geringe Interesse kaum noch auf eine Gefahr durch Ansteckung zurückzuführen.

„Die Menschen sind träge geworden“, Uwe Dolata, Mitbegründer des Keller Z87.

Schließlich sind Konzertbesucherinnen und -besucher bei Großveranstaltungen mindestens genauso dicht an dicht gedrängt. So sagte Mitbegründer Uwe Dolata gegenüber der Main-Post einen entscheidenden Satz, der den Post-Corona-Zeitgeist wohl auf den Punkt bringt: „Die Menschen sind träge geworden, das geben sie uns gegenüber ganz offen zu.“

Gewohnheitsumstellung der Menschen setzt der Kulturszene zu

Diese neue Trägheit und die Gewohnheit, dass man auch ohne kulturelle Veranstaltungen auskommen kann, setzt nicht zuletzt dem Keller Z87 spürbar zu. Dennoch finden vor allem dank des großzügigen Förderprogramms „Tonkünstler Live Spezial“ der Bayerischen Staatsregierung derzeit viele Konzerte im Keller des Bürgerbräugeländes statt – zumindest noch bis zum 31.03., wenn das Förderprogramm ausläuft. Und danach? Ungewissheit, genauso wie mitten in der Corona-Pandemie.

 

Immerhin: Gut besuchte Konzerte, aber derzeit noch Personalnot

Auch im Immerhin konnte man bereits beobachten, dass die Menschen gemütlicher geworden sind, aber auch teilweise wegen finanziellen Problemen weniger ausgehen würden. Generell seien die Konzerte derzeit jedoch gut besucht. Probleme bestehen in der Rockbar wegen der langen Corona-Pause dagegen vielmehr hinter statt vor dem Tresen: „Es ist schwierig geworden, genug Zeit und Personal für die Arbeit aufzubringen, u.a. auch wegen Krankheitsausfällen oder geänderten Lebensläufen“, antwortete Peter aus dem Immerhin-Team auf Anfrage auf Facebook.

Digitalisierung macht vieles schwieriger und anspruchsvoller

Daneben macht Peter auf einen eher überraschenden Aspekt aufmerksam, der dem Konzertkeller Schwierigkeiten bereitet: Die zunehmende Digitalisierung. „Da es inzwischen jeder gewohnt ist, durch die Digitalisierung alles jederzeit zur Verfügung zu haben, werden von vielen Konzertgästen Online-Ticketbuchung, ständige Erreichbarkeit und umfassende Infos im Internet automatisch vorausgesetzt.“ Kleine Konzertlocations hätten Schwierigkeiten, diesem gewachsenen Anspruch gerecht zu werden. Hinzu kämen häufiger als früher kurzfristige Absagen von Bands. Dadurch finden im Immerhin bis heute weniger Konzerte statt als eigentlich vorgesehen.

 

Kellerperle: Euphorie nach der Wiedereröffnung

Elias Leicht, Benedikt Schneider und Joseph Vim Otto stehen ehrenamtlich hinter dem Tresen der Kellerperle. Weitere Helferinnen und Helfer werden noch gesucht. Foto: Philipp Heilgenthal

Nach dem ersten Lockdown blieb die Kellerperle noch für lange Zeit geschlossen. Der Grund: Bei der studentischen hierarchielosen Organisation herrscht wie bei allen Organisationen der Uni eine hohe Fluktuation. Kam der Betrieb einmal zum Erliegen, so war es schier unmöglich, weiterhin Nachwuchs zu gewinnen. Mit einem neuen, engagierten Team erlebte die Kellerperle im vergangenen Herbst schließlich das große Comeback. Doch ähnlich wie das Immerhin, leidet auch die gänzlich ehrenamtlich betriebene Kellerperle in Folge der Corona-Pandemie immer noch unter Personalmangel.

Jazz Jam stabil besucht

Dennoch stellten die Neuen schon bald ein ansehnliches Programm auf die Beine. Darunter eine allwöchentliche Livemusikveranstaltung: Als Ersatz für das weiterhin geschlossene Omnibus findet nun jeden Dienstag ein Jazz Jam in der Kellerperle statt. „Da kommt stabil ein Stammpublikum von 10 bis 45 Leuten“, erzählt Andreas Emmerling vom Orga-Team.

„Die Leute haben Bock auf unsere Veranstaltungen“

Wie Konzerte bisher in der Kellerperle tatsächlich angenommen werden, lässt sich bisher noch nicht genau sagen, da es sich bei den Veranstaltungen meist eher um Mischformen (z. B. Nachtflohmarkt mit Musikbegleitung) oder Sonderveranstaltungen handelten. Emmerling stellt jedoch fest: Die bisherigen Veranstaltungen der Kellerperle waren fast alle sehr gut besucht. Alte Traditionsveranstaltungen wie zuletzt „Feiern statt Bayern“ (ca. 300 Gäste) besäßen mindestens dieselbe Strahlkraft wie früher. „Die Leute haben Bock, offensichtlich viel Nachholbedarf und kaum Berührungsängste. Viele unserer Veranstaltungsformate sind besser besucht als vor Corona“, resümiert der seit langem für die Kellerperle engagierte Organisator. Dies unterstreicht den offensichtlichen Unterschied zwischen den Generationen beim Besuch von Konzerten seit der Corona-Pandemie.

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