Konfliktmanagement im Nachtleben: So geht es zwei Würzburger Nacht-Mediatorinnen

Manuel Scholze

18. August 2023

Nachtmediatoren

Evelyn Graf (links) und Franka Heckelsmüller sind regelmäßig am Main und in der Innenstadt auf Tour, um Spielregeln im Nachtleben zu vermitteln. Foto: Manuel Scholze

Als Vermittler sehen sie sich, sind jedes Wochenende an Freitagen und Samstagen von 20 bis 3 Uhr in der Stadt unterwegs und wollen die nächtliche Situation für alle verbessern: die Nacht-Mediatorinnen und -Mediatoren des allparteilichen Konfliktmanagements „Miteinander Leben & Feiern“. Ihre Kontrollgänge finden zunächst meist am Sanderauer Mainufer in Würzburg statt, wo es Zonen gibt, in denen Feiern und laute Musik geduldet sind. Dort kommt es dennoch hin und wieder zu Grenzüberschreitungen, die sie dann wieder klären. Evelyn Graf, Bäckerei-Fachverkäuferin und Studentin Franka Heckelsmüller geben Einblick in das, was sie erwartet, wenn die Sonne langsam hinter den Weinbergen untergegangen ist.

Aller (Schicht-)Beginn ist schwer

Wie empfindet ihr es, wenn ihr in einen Abend startet und schon aus der Ferne merkt: Ok, da ist jetzt ordentlich was los am Main!

Franka Heckelsmüller: Also, mich hat es am Anfang schon ein bisschen Überwindung gekostet, auf die Gruppen zuzugehen. Das ist auch heute noch manchmal so bei Schichtbeginn. Aber die Feiernden sind im Allgemeinen sehr freundlich, da kommt man schnell rein in die Kommunikation. Wir erhalten auch immer wieder Schulungen, zum Beispiel zur deeskalativen Ansprache, damit wir auf jede Situation gut vorbereitet sind.

Evelyn Graf: Eigentlich haben wir eher selten Leute, die unhöflich sind oder gar keine Lust auf einen haben. Aber das merkt man recht schnell, dass man die einfach nicht erreichen kann, und dann zieht man eben weiter. Die meisten Menschen bedanken sich für unsere Arbeit und wenn man sie zum Beispiel darauf hinweist, dass im vorderen Bereich des Mainufers ab 22 Uhr ein Musikanlagenverbot gilt. Und viele freuen sich, dass wir immer Müllbeutel dabeihaben.

Wer begegnet euch hier am Main für gewöhnlich?

Evelyn Graf: Überwiegend junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren. Viele sagen, dass sie Geburtstag feiern. Oder kürzlich eben den Semesterabschluss. Die meisten sind aber einfach zum Chillen und Grillen am Main.

Franka Heckelsmüller: In der Stadt, beispielsweise der Sanderstraße, ist es dann ein wesentlich gemischteres Publikum, auch öfter etwas älter.

Was für konkrete Situationen warten auf euch in der Nacht?

Evelyn Graf: Da fällt mir ein Beispiel vom letzten Wochenende ein. Ein junges Paar, das gerade Melone gegessen hat und gemütlich in der Hängematte lag, ist aufgestanden und auf uns zugekommen, weil sie von dem Projekt „Miteinander leben & feiern“ gelesen und dazu Fragen hatten. Wir haben ihnen dann noch gesagt, dass sie außerhalb des Feierbereichs liegen und deshalb die Musik ab 22 Uhr ausmachen müssen. Für den Hinweis haben sie sich bedankt.

Franka Heckelsmüller: Ich habe da auch eher gute Momente im Kopf, wo Leute Verständnis zeigen und höflich bleiben und man ihnen weiterhelfen konnte.

Klingt fast zu sehr nach Friede, Freude, Eierkuchen. Ist immer so? Gibt es auch Momente, bei denen es knistert?

Evelyn Graf: Da müssen wir eher von der Arbeit in der Innenstadt erzählen. Da sind zum Beispiel die Wildpinkler ein echtes Problem. Ich finde das einfach schrecklich, wenn man in manche Gassen, wie beispielsweise die Reibeltgasse, reingeht. Ab 1 Uhr denkst du manchmal, du stehst in einem Urinal. Da wird nicht nur an die Hauswand, sondern auch in Blumentöpfe oder auf Fahrräder gepinkelt, absichtlich. Das tut mir für die Anwohner:innen leid. Wenn wir diese Leute ansprechen, kommen manchmal dumme Sprüche wie ‚Ich piss dich an‘, aber auch da bleibe ich freundlich. Bei aggressiven Leuten heißt es: Eigenschutz geht immer vor.

Franka Heckelsmüller: An unserem Stand in der Sanderstraße, wo wir zu Beginn des Einsatzes über unser Projekt und Regeln wie zum Beispiel das Alkoholverbot ab 1 Uhr aufklären, bekommen wir ab und zu mal von Vorbeigehenden Beleidigungen an den Kopf geworfen.

Interessensgemeinschaft „Sanderstraße für alle!“ mit Aktion: Wer draußen pinkelt, muss draußen bleiben

Konfliktsituationen wie Wildpinkeln entgegnen die Gastronom:innen und ihr aber auch noch anders derzeit, dafür wurde eigenes eine neue Aktion ins Leben gerufen.

Evelyn Graf: Genau. Dass Scherben entstehen oder Leute sich übergeben, das passiert im betrunkenen Zustand meistens unabsichtlich. Aber niemand muss wildpinkeln, da man in jeder Bar auch als Nicht-Gast auf die Toilette gehen kann. Das haben wir auch getestet. Zusammen mit der Stadt Würzburg hat das Miteinander-Team vor Kurzem eine Plakatkampagne in der Sanderstraße gemacht, um für das Problem zu sensibilisieren. Und seit dem Frühjahr gilt in einigen Clubs und Bars die Regel, dass die, die draußen beim Pinkeln erwischt werden, keinen Einlass mehr erhalten.

Franka Heckelsmüller: Auch wenn Wildpinkeln inzwischen 55 Euro kostet, haben viele dazu eher die Einstellung, dass das einfach mal schnell bezahlt wird. Die fragen dann einfach nach einer Paypal-Überweisungsmöglichkeit und lächeln. Dabei sanktionieren wir ja gar nicht, das machen nur der Kommunale Ordnungsdienst und die Polizei. Wenn die Wildpinkler aber nicht mehr in ihre Kneipe kommen, dann ärgert sie das schon sehr.

Neben dem Mainufer in der Sanderau patroullieren die Mitarbeiter:innen von „Miteinander leben und feiern“ auch in Teilen der Innenstadt. Foto: Manuel Scholze

Warum macht ihr den Job?

Evelyn Graf: Ich liebe das Nachtleben und fände es schade, wenn es noch mehr Verbote nachts braucht, um die negativen Auswirkungen des Feierns für die Anwohnenden zu reduzieren. Und ich wollte damit auch was für die Gesellschaft tun. Mit mehr Respekt und Rücksichtnahme auf allen Seiten klappt das Miteinander einfach besser.

Franka Heckelsmüller: Ich finde gut, dass wir kommunikativ auf die Leute zugehen und damit das Bewusstsein bei den Feiernden für die Anliegen der Mitmenschen wecken können. Mir ist das auch an mir aufgefallen: Wenn ich vor dem Projekt feiern war, war ich sicher auch mal zu laut. Jetzt habe ich ein ganz anderes Verständnis für die Situation und bin achtsamer geworden.

Evelyn macht das seit mittlerweile zehn Monaten, Franka, du bereits seit Projektstart vor einem Jahr. Erkennt ihr bereits Veränderungen durch eure Arbeit?

Franka Heckelsmüller: Gerade am Main war es dieses Jahr in Teilen wie ein Neustart, weil ja immer neue Studenten in die Stadt kommen, die uns und die geltenden Regeln noch nicht kennen. Anderen sind wir schon bekannt.

Evelyn Graf: Manche Menschen reagieren inzwischen direkt, wenn wir mit den weißen Westen auf sie zukommen. Da wird es oft schon etwas ruhiger und gemäßigter.

Franka Heckelsmüller: Man merkt in vielen Bereichen eine Verbesserung, das haben auch Anwohner:innen schon bestätigt. Und das finde ich eine schöne Sache.

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