30 Jahre hinter der Bar – warum die Naddl immer noch dabei ist

Manuel Scholze

22. September 2023

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Seit Jahrzehnten eine Instanz im Würzburger Nachtleben: Nadine „Naddl“ Hofmann. Foto: Benjamin Brückner

Der 1. Oktober 1993 war ein Freitag. Helmut Kohl hieß der deutsche Bundeskanzler damals, in Russland lenkte Boris Jelzin – ein Jahr vor Beginn des Tschetschenienkriegs – die Geschicke. Die Tagesschau meldete an besagtem Freitag ein großes Erdbeben in Indien, die Auslosung des Europapokals, und Lohnkürzungen an Feiertagen. Eine, die an Feiertagen ab sofort Geld verdienen sollte, war Nadine „Naddl“ Hofmann. Sie startete an diesem Tag in ihre erste Barschicht im Rockpalast, damals unter Geschäftsführer Rudi Schmidt und dem mittlerweile verstorbenen Chef Michael Bauer.

Würzburg erleben: Nadine, an was erinnerst du dich – außerhalb unseres Tagensschau-Rückblicks – von deinem Start in die erste Rockpalast-Schicht?

Nadine Hofmann: „Die Geschichte startete tatsächlich schon eine Nacht zuvor, bei einem VIP-Jubiläum im Rockpalast. Da hatte eine Freundin von mir gearbeitet, die war dann aber so besoffen, dass ich für die eingesprungen bin. Damit eben überhaupt noch was ging. Irgendwann kam dann Rudi Schmidt, damals noch Geschäftsführer, der dann gefragt hat: ‚Wer bist du und was machst du hier?‘ Ich habe mich vorgestellt und er meinte, ich könnte morgen vorbeikommen und anfangen.“

Am Freitag war dann deine erste offizielle Schicht sozusagen.

„Genau! Ich bin am Freitag also dahin und habe mir zuvor ein rot-schwarzes Holzfällerhemd angezogen, weil ich dachte, dass ich damit im Rockpalast cool bin. Da habe ich mit der Angie gearbeitet, wunderhübsch, eine Rockerbraut in Lack und Leder. Ich war da total eingeschüchtert mit meinem Holzfällerhemd und dann kam besagter Rudi Schmidt, der mich gleich gefragt hab, warum ich so unsexy aussehe. So war mein Start. Wir hatten an dem Abend freien Eintritt und Freibier bis 12 Uhr.“

Ehemalige Airport-Barkeeperin Nadine über ihre riesige Klappe und Milch 43

Das bedeutet, der erste Abend war stressig?

„Der war megastressig, aber auch so toll. Angie hat dann zu mir gesagt, dass sie so froh sei, dass ich da bin, weil sie es sonst nicht gepackt hätte. Ab da habe ich mittwochs im alten Airport gearbeitet und am Wochenende im Rockpalast.“

Welcher Sound hat dir mehr getaugt – Airport oder Rockpalast?

„Meine Lieblingsmusik wurde im Laby gespielt, nicht im Rockpalast und auch nicht im Airport. Ich war in den 90ern ein richtiges Grunge-Kind.”

20 bis 30 Paletten Red Bull an einem Abend vorher geöffnet, damit es schneller ging

Was waren Nächte, die dir in Erinnerung geblieben sind?

„Die Schlagerweihnacht! Das müsste die 2008 mit Babsi und Susanne gewesen sein, als wir sämtliche Barrekorde gebrochen haben. Da mussten wir drei Stunden lang alles schon vorbereitet ausschenken, so groß war der Andrang. Wir hatten riesige Kühlschränke, da haben wir 20 Tabletts Shots vorgeschenkt. Das kann man sich nicht mehr vorstellen, heute. Wir haben 20 bis 30 Paletten Red Bull vorher aufgemacht, damit wir die nicht mehr öffnen müssen. Dann ich habe legendäre Nächte gehabt im T2, wo die Musik so toll war, dass wir auf der Bar getanzt haben und beim letzten Lied des Abends dann vor das Pult gerannt sind. An die 28-Jahre-Airport-Feier erinnere ich mich, da habe ich an der Kasse im Durchlauf 4.000 Leute gehabt. Da musste ich langsamer abkassieren, weil die Garderobe nicht mehr nachgekommen ist und sich alles gestaut hätte.“

Gab es für solche Leistungen, so viel und so schnell zu arbeiten, auch Belohnungen?

„Früher gab es schon eine Art Umsatzbeteiligung, das ist aber dann irgendwann abgeschafft worden, weil das dann steuerrechtlich nicht mehr möglich war. Das ist schon echt lange her. Heute fahre ich seit fünf Jahren einen Geschäftswagen. Das ist eine Belohnung.“

Im Zauberberg schenkt Nadine nach wie vor am Wochenende aus. Foto: Benjamin Brückner

Bist du der Beweis: einmal Nachtleben, immer Nachtleben?

„Also ich muss sagen, ich zweifle schon öfter. Auch wenn im privaten Umfeld Dinge passieren, die einem zeigen, dass man nicht immer so buckeln muss. Ich liebe aber den Job, ich liebe die Gäste, ich bin auch immer noch wie ein kleines Kind. Wenn jemand zu mir sagt, wie beispielsweise neulich, dass ein Mädel sagt, dass das der beste ‚Sex on the beach‘ sei, den sie je getrunken hat – und ich mache den nur nach Gefühl – dann macht mich das happy. Aber umso älter du wirst, umso mehr denkst du einfach nach, weil es auch immer mit dem Leben vorbei sein kann. Ich mache es dennoch viel zu gern.“

Du bist ein Kind der Nacht geblieben. Wie fühlst du dich nach so einer Arbeitsnacht?

„Ich bin wie ein Drogensüchtiger ohne Drogen. Bei mir ist das die Droge, die Arbeit, das Laufen. Ich bin manchmal emotional schwächer als früher, wenn ich mit jemandem Beef habe. Körperlich macht es mir aber nichts.“

Nadine Hofmann: Wenn ich in den Supermarkt in Oberdürrbach gehe, sehe ich wieder vier Gäste aus unterschiedlichesten Altersgruppen

Was für Feedback bekommst du von den Leuten?

„Ich weiß nicht warum, aber mich kennen die Leute immer noch, obwohl ich gar nicht mehr feiern gehe. Nicht mal in Bars oder Essen. Und trotzdem gehe ich in den Supermarkt nach Oberdürrbach und schon sehe ich wieder vier Gäste aus den unterschiedlichsten Altersgruppen. Das ist Wahnsinn. Generell bekomme ich viel gutes Feedback, manchmal nervt es mich auch meine Kolleginnen und Kollegen, wenn wieder einer kommt und mir etwas von früher erzählt und ob ich mich erinnere. Kürzlich zum Beispiel jemand, der gesagt hat, dass er gern noch einmal in seinem Leben das Feeling des damaligen ‚Powerdays‘ zurückhaben wollte. Wo man allein vier Stunden anstehen musste, um reinzukommen und alles dann totale Katastrophe war, weil es so voll gewesen ist. Wenn es mal nicht so schöne Rückmeldung gibt, dann bin ich heute aber direkter. Kürzlich habe ich einem Gast schon gesagt, dass wir keine Hunde sind. Der hat sich dann auch entschuldigt.“

Ihr Reich ist die Bar, darüber hinaus kümmert sich Nadine Hofmann um viele organisatorischen Tätigkeiten im Zauberberg. Foto: Benjamin Brückner

Was hält dich bei der Stange?

„Ich könnte mir nie vorstellen, im Büro zu sitzen und auf einen Computer zu starren. Ich würde eingehen. Ich brauche im Job auf jeden Fall die Menschen um mich herum. Ich mache am liebsten aber gar nicht mehr das Barkeeping, sondern die Organisation und Vorbereitung. Das macht mich noch glücklicher, als der Abend selbst – auch wenn ich nach wie vor hinter der Bar stehe. Auch Arbeitskollegen halten mich hier. Und am Ende ist es für mich die Mischung aus dem Job hier und der Sauna, in der ich arbeite. Hier fühlt es sich wie Freizeit an, manchmal wie Urlaub. Es ist immer noch Spaß.“

 Was wünschst du dir von deiner Jubiläumsfeier am 07. Oktober?

„Gute Musik, tanzen, feiern, es legen die DJs auf, die ich mir wünsche und es wird eine No-Go-Liste an Songs geben, die auf keinen Fall gespielt werden dürfen – das wissen die DJs, die mich kennen. Ansonsten ist das ein ganz normaler Abend im Zauberberg, an dem es keine Endlos-Gästeliste gibt und jeder einfach nur willkommen ist.“

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