DJ Baby Bee: „Der Clubbesitzer bezahlt dich nicht, um einfach nur Musik zu spielen“

Manuel Scholze

5. Januar 2024

baby bee – ralf hofmann – selfie

Ralf Hofmann gestaltet als DJ Baby Bee seit Dekaden das Nachtleben mit. Foto: Hofmann (Selfie)

In so manch einem Plattenspieler, da steckt ein Riemen. Der treibt das drehende Gerät an und lässt die Platte gleichmäßig abspielen. Ist der Riemen durch, läuft der Spieler nicht mehr sauber und Hören wie auch das Auflegen wird zur Tortur. Braucht so ein Plattenspieler also mal einen neuen Riemen, heißt es in Würzburg gerne mal: „Den bringen wir zum Baby Bee“.

Ralf Hofmann alias DJ Baby Bee ist Experte für Anfragen wie diese. Mit der Technik kennt er sich genauso gut aus wie mit dem, was auf so einem Plattenspieler liegt: der Musik. Er ist der „Dienstleister“ – wie er sich selbst mehrfach bezeichnet – der kaputtes Equipment wieder heile macht und der auch heilsam für Menschen auf Tanzflächen wirken kann. Schließlich sieht er das DJing als einen „psychologischen Auftrag“, dazu aber später mehr.

Mr. Airport und musikalischer Gestalter im Capi

Zum Auftakt der Retro-Serie der einstigen Großraumdiskothek Capitol ist Baby Bee einer, der den Bogen vom Airport zum Capitol spannen kann wie kaum ein Zweiter. Er war beides: Mr. Airport – so nannten ihn Freunde – als auch ein musikalischer Gestalter des „Capis“. „Wenn ich im Capitol zu Gast war, hat mir am meisten gefallen, dass in dem Laden alle Charaktere der Gesellschaft vorhanden waren. Weil es eben drei Areas mit verschiedener Musik gab. Die Bauform der Diskothek war eine typische Großraumdiskothek, da konnte ich den ganzen Abend lang Unterschiedliches genießen, ohne mich zu stressen.“ Es waren Zeiten, die es heute so kaum mehr gibt. „Ich kenn‘ das Capitol noch, da waren an einem Samstagabend 3500 Leute drin.“

Capitol in Dettelbach: Verfall einer einstigen Club-Institution

Eine Selbstbeschreibung fällt DJ Baby Bee schwer. Als „Dienstleister für das Feiervolk“ sieht er sich, privat und am Pult, absolut bodenständig und selbstkritisch. Wenn man ihn nicht negativ behandle, „kann man mit mir Pferde stehlen“. In der Retrospektive sagt er auch, er habe nie vergessen, wo er herkomme. Erst war er Lightjockey, dann sei er „den Leuten auf den Nerv gegangen“, weil er das Auflegen noch interessanter fand. Sein Onkel, der einen Musik-Club in Karlstadt betrieb, habe ihn früh „infiziert“ mit der Technik. Tonbandgerät, Kassetten und Kopfhörer habe er bereits in der Kindheit kennengelernt. Das brachte ihn ab Ende 1987 zu seinen ersten Berührungen mit der Clubszene.

Hose voll, Lampenfieber blieb bis heute

„An den ersten Terminen hatte ich einen massiven Hoseninhalt, also Lampenfieber. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen, weil damals in der Discothek Tropic in Karlstadt DJs ausgefallen sind“, sagt Ralf Hofmann. Drei Wochen lang habe er fast jeden Öffnungstermin im Tropic gespielt. Am Lampenfieber hat das nur wenig geändert. Auch heute sei er noch aufgeregt, nur die Intensität sei weniger. „Bei den ersten Terminen wäre ich fast gestorben“, schmunzelt der 54-Jährige.

Der Kontrollverlust beim Auflegen

Das Auflegen blieb bis heute seine Leidenschaft. „Du kannst nicht alles kontrollieren bei der Musik, das ist oft eine subjektive Sache, was als Ergebnis herauskommt.“ Selbst könne man die besten Ideen für sich haben, man merke aber schnell an der Stimmung, ob es jetzt eine „Modifikation“ brauche. Kommen viele Leute an einem Abend, kommen wenige? Mögen die Crossover-Sound, Hip-Hop oder lieber Techno? Das seien Fragen, die keiner vorab zu einhundert Prozent beantworten könne. Es gäbe viele Unwägbarkeiten, die „Clubbusiness nur schrittweise kalkulierbar“ machen. Deshalb sei er ein Typ, der eher extrem flexibel ist.

Drei Musikstile prägen das Auflegen von Baby Bee in den letzten knapp 40 Jahren. Die wohl bekannteste: Hip-Hop und RnB, denn das spielte er viele Jahre im Airport. Später dann zwischen 2014 bis zur Schließung in 2018 auch im Capitol. Oder im Diva Palace, dort hatte Baby Bee ebenfalls eine Residency. Heute auf Oldschool-Abenden dürfen es auch mal 80er und 90er mit Funk, Soul und Pop sein. House und Techno habe es ihm als drittes musikalisches Standbein angetan, „nur bei einer Schlagerparty habe ich nichts verloren, das mag ich nicht.“ Genauso wenig wie manchen Deutschrap, was den einen oder anderen überraschen wird.

DJ Baby Bee 2006 beim Auflegen. Foto: Main-Post-Archiv Airport

Baby Bee: Psychiater der Nacht

Diese Flexibilität macht DJ Baby Bee zum besagten Dienstleister, die es heute immer weniger gibt. „Der Clubbesitzer bezahlt dich ja nicht, einfach nur Musik zu spielen. Man muss schon für Stimmung sorgen“, sagt Ralf. Da sei ein DJ „schon ein Psychiater des Abends, da gibt es einen psychologischen Auftrag.“ Nur, wenn die Gäste zufrieden seien, sei das Ziel erreicht. Die wollen schließlich den Alltag vergessen und „einen kurzzeitigen Ausweg aus der Realität“ finden.

Im Airport hatte DJ Baby Bee seine „Homebase“, das sei eine Zeit und ein familiäres Gefühl gewesen, die es heute seiner Erfahrung nach in Clubs nicht mehr in dieser Form gebe. Im Capitol habe er zuletzt samstags gespielt und immer eine gute Zeit gehabt. „Auf der großen Tanzfläche waren irgendwann die Hip-Hop-Geschichten erfolgreicher als der Mainstream und elektronische Sound. Das hatte auch mit immer mehr Amerikanern zu tun, die ihren ganz eigenen Groove mitbrachten“, erinnert sich Baby Bee an den Anfang der 2010er.

Als dann irgendwann Bilder dieser Redaktion den Zustand des Capitols nach Schließung zeigen, habe es ihn geschmerzt. „Da steht immer die Frage dahinter, warum so ein Laden zugemacht hat. Genau! Weil es sich wirtschaftlich nicht gerechnet hat und das Publikum ausbleibt.“ So viele würden es neben ihm heute auch sehr schade finden, dass es das Capitol nicht mehr gebe. Aber die damaligen Gäste müssen sich bei dieser Frage laut Baby Bee „an die eigene Nase fassen“. Schließlich war es eine wichtige Anlaufstelle für viele. Gerade zu Zeiten, wo im Capitol oder auch im Airport tausende Menschen an einem Abend standen, die dann nicht mehr kamen, bzw. es immer weniger wurden.

Dort, wo das Capitol heute Geschichte ist – eine Spedition hatte das Bauwerk übernommen – und im Airport sich auch einiges änderte, da steht Baby Bee wie eh und je für seinen Hip-Hop. Und er summt herum, so wie ihn seine Freunde damals mit einem „Straßennamen“ bedachten, der zu „Baby Bee“ wurde. So Straßennamen haben schließlich die meisten in Kreisen der Breakdancer gehabt. „Zu meinem Namen kam ich, weil es einen Wettbewerb gab, wer die meisten Nummern von den Girls in einem Club ergattern kann. Den habe ich gewonnen. Eine Freundin hatte mich bereits „mein Baby“ getauft, dann hieß es nach dem Wettbewerb: ‚Summ summ, der Baby der geht um.‘ So kam ich zu meinem Namen Baby Bee (Baby Biene) – lol“.

Mit 50 aufhören? Absoluter Quatsch

Die Biene fliegt also weiter. „Ich habe mir früher selbst gesagt, dass ich mit 50 auf jeden Fall aufhören werde. Das hat sich als absoluter Quatsch herausgestellt“, freut sich Ralf Hofmann. Gesundheitlich müsse er gerade Pause machen, sobald es aber besser gehe, käme er mit mindestens 75 Kilogramm leichter wieder zurück ans Pult. Wieder zurück zur Musik, zum Gestalten der Nacht: „Wenn du die Seuche hast, dann hast du sie eben – den Sound deiner Nacht.“

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