Weltfrauentag in Würzburg: Von düsteren Episoden bis hin zur Gleichstellung?

Michelle Engelbrecht

8. März 2024

Frauen stehen eng zusammen
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Am 08. März ist der Weltfrauentag. Foto: unsplash | Vonecia Carswell

Gleichberechtigung, beziehungsweise Gleichstellung von Mann und Frau ist ein heikles Thema, das bei aller Emotionalität schwierig ist, nüchtern zu behandeln. Am besten ist dabei also, Fakten für sich sprechen zu lassen. Anlässlich des Weltfrauentags, der nun schon seit 1911 gefeiert wird, ist eine genauere Betrachtung des Themas mit Blick auf Würzburg jedoch angebracht. Wie gut, dass wir mit Michelle Engelbrecht eine echte Expertin in Sachen Gleichstellung in unserer Redaktion sitzen haben. Sie beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit unter anderem mit dem Thema Female Empowerment und bricht das komplexe Thema für uns etwas herunter.

Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes

Laut Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes Deutschlands sind männliche und weibliche Personen gleichgestellt. Auch mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sollen Benachteiligungen unter anderem aufgrund des Geschlechts verhindert bzw. zu beseitigt werden. Die Realität sieht jedoch bekanntlich anders aus: Überkommene Geschlechterbilder und geschlechtsspezifische Klischees sind oft noch fest in den Köpfen der Menschen verwurzelt. Wie ist Würzburg beim Thema Gleichstellung aufgestellt? Aktuelle Entwicklungen und düstere Episoden der Stadtgeschichte. 

Gleichstellung an der Uni Würzburg 

Schaut man sich die Verteilung der Studierenden an der Uni Würzburg an, so fällt direkt auf: Studentinnen sind hier definitiv nicht unterrepräsentiert. Im Wintersemester 2024/25 studieren von insgesamt 26.430 Studenten 15.833 Frauen an der JMU. Das Wissen vermitteln jedoch auch heute noch überwiegend Männer – weniger als ein Drittel der Professuren waren letztes Jahr von Frauen besetzt. Die Uni machte in den vergangenen Jahren bereits Fortschritte bei der Gleichstellung – durch gezielte Förderprogramme, Beratungsangebote sowie eine „gendersensible Einstellungspolitik“ und möchte diese Entwicklungen weiter vorantreiben. 

Gleichstellung in Würzburg 

Auch Würzburg bemüht sich um die tatsächliche Umsetzung der Gleichberechtigung. Im Jahr 1987 hat der Landkreis Würzburg eine Gleichstellungsstelle eingerichtet. Die Gleichstellungsbeauftragte setzt sich für die Chancengleichheit von Frauen und Männern ein – um geschlechtsspezifische Benachteiligungen abzubauen und gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. 

Würzburgerinnen in der Politik 

„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“ Das Zitat der SPD-Politikerin Käte Strobel wird auch in Würzburg gelebt. Der Stadtrat hat einen in der aktuellen 18. Wahlperiode vergleichsweise hohen Frauenanteil von 46 Prozent. Andere Stadträte haben dagegen einen deutlich niedrigeren Frauenteil, wie am Negativbeispiel Gemünden am Main (Lkr. Main-Spessart) deutlich wird:  Dort sitzen aktuell 24 Männer und gerade einmal eine Frau im Stadtrat. In der ersten Wahlperiode ab 1919 lag der Frauenanteil noch bei lediglich zehn Prozent. Ein Grund für diese Entwicklung ist, dass es heutzutage einfacher ist, Familie, Beruf und politisches Ehrenamt zu vereinbaren, was sich in einem stärkeren Engagement von Frauen in der Politik zeigt. Während Frauen als Abgeordnete früher in der Minderheit waren und kaum erkennbar, sind sie heute deutlich präsenter und zahlreicher vertreten.

Erfolgreiche Frauen in Würzburg

Besonders bemerkenswert ist, dass es mittlerweile auch eine hauptberufliche Stadträtin in Würzburg gibt: Dritte Bürgermeisterin Judith Jörg. Zuvor übernahm Marion Schäfer-Blake ab 2002 bis 2020 die Rolle der dritten Bürgermeisterin. Auch sollten beim Thema Politik in Würzburg Dr. Barbara Stamm und Dr. Pia Beckmann nicht unerwähnt bleiben. Stamm war seit 1969 Mitglied der CSU und gehörte von 1972 bis 1987 dem Würzburger Stadtrat an. Im Jahr 1976 zog sie als Nachrückerin über die Liste in den Bayerischen Landtag ein und war dort insgesamt 42 Jahre bis 2018 tätig. Beckmann war Würzburger Kommunalpolitikerin und war als erste Frau von 2002 bis 2008 Oberbürgermeisterin von Würzburg. Dr. Christine Bötsch ist eine weitere Frau in der Würzburger Politiklandschaft. 2019 wurde sie zur Vorsitzenden des CSU-Kreisverbands Würzburg-Stadt gewählt und 2022 bei der CSU-Kreisvertreterversammlung im Gut Wöllried mit nur einer Gegenstimme wiedergewählt. Dr. Hülya Düber, Anwältin und zuletzt Sozialreferentin der Stadt Würzburg, wurde bei der Bundestagswahl im Februar mit 39,1 % der gültigen abgegeben Stimmen als Direktkandidatin der Würzburger CSU und Nachfolgerin von Paul Lehrieder, in den Bundestag gewählt.

Frauen in der Politik sichtbar machen (mainpost.de)

Im Mai steht die Oberbürgermeisterwahl für Würzburg an, bemerkenswert hier: drei der vier Kandidaten sind weiblich. Sowohl Claudia Stamm (parteilos), Tochter von Barbara Stamm, als auch Judith Roth-Jörg (CSU) und Eva von Vietinghoff-Scheel (Kandidatin für die SPD) möchten die Domstadt regieren.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt verleiht Barbara Stamm die Ehrenbürgerwürde. Foto: Claudia Lother

Umbenennung von Straßennamen nach Frauen 

Letztes Jahr setzte die Stadt zudem ein Zeichen, um Frauen auch in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. In Würzburg wurden im vergangenen Jahr drei Straßen nach Frauen umbenannt. Die bisherigen Männer, nach denen die Straßen benannt waren, hatten Verbindungen zum NS-Regime.  Darunter fiel die Nikolaus-Fey-Straße, jetzt Elli-Michler-Straße. Elli Michler (1923–2014) war eine gebürtige Würzburger Lyrikerin, erlangte internationale Bekanntheit mit ihrem Gedicht „Ich wünsche Dir Zeit“. Daneben wurde im Frauenland wurde aus der Schadewitz-Straße die Rosa-Buchbinder-Straße, benannt nach Rosa Buchbinder (1897–1983). Sie war eine Harfenistin, die durch frühzeitige Emigration der Shoa entkam. In der Sanderau wurde der Heiner-Dikreiter-Weg in Milly-Marbe-Fries-Weg umbenannt, um an die Künstlerin Milly Marbe-Fries (1876–1947) zu erinnern, die während der NS-Zeit als „Halbjüdin“ verfolgt wurde. Auch veröffentlichte die Stadt kürzlich ein Gleichstellungs-Programm für das erste Halbjahr 2024. Unter dem Titel „WÜRZBURG SAGT JA zur Gleichstellung von Frauen und Männern und aller Geschlechter“ findet man dort Veranstaltungshinweise zu diesem Thema bis Juli 2024. 

Würzburg ändert umstrittene Straßennamen zugunsten weiblicher Namenspaten

Aus der "Hermann-Zilcher-Straße" wurde 2023 bereits die Theresia-Winterstein-Straße. Foto: Thomas Obermeier

Aus der „Hermann-Zilcher-Straße“ wurde 2023 bereits die Theresia-Winterstein-Straße. Foto: Thomas Obermeier

Würzburg als ehemalige Hochburg der Hexenverfolgung 

Während Würzburg heute Anstrengungen unternimmt, um die Gleichstellung voranzutreiben, darf man nicht vergessen, dass die Stadt auch düstere Episoden in ihrer Geschichte verbirgt. Würzburg war zur Amtszeit des Fürstbischofs Julius Echters eine Hochburg für Hexenverfolgungen.  

Zwischen 1603 und 1630 wurden in Würzburg zahlreiche Menschen wegen vermeintlicher Hexerei angeklagt. Für die Menschen damals waren Hexen ganz real. Man ging von Frauen aus, die sich mit dem Teufel verbündeten und den Anderen Böses wollten. Die Welt war voller für sie unerklärbare schreckliche Phänomene wie Pestepidemien oder Hungersnöte durch Klimawandel, was zu Furcht und Aberglauben führte. Würzburg beherbergte mehrere Hexengefängnisse, darunter den Hexenturm in der Ottostraße, den Schneidturm und das Lochgefängnis im Grafeneckart. Auch diejenigen, die nicht gefoltert wurden, ließ man nicht frei und richtete sie später meist auf dem Scheiterhaufen hin. Hexenverbrennungen fanden damals unter anderem auf dem Sanderrasen statt. Im gesamten Hochstift Würzburg wird von über 900 Getöteten gesprochen, davon etwa 200 Opfer in der Stadt Würzburg, ein Großteil der Opfer waren Frauen. Heute werden Hexen auch speziell als Symbolfigur für Female Empowerment betrachtet. Sie werden als erste Feministinnen gefeiert, die eigenständig und unabhängig lebten und sich keinen Schönheitsidealen unterwarfen. 

Würzburg bekommt ein Denkmal für die Opfer der Hexenverfolgung

Blick auf den Platz am Schottenanger, der Standort für das Denkmal für die Opfer der Hexenverfolgung werden soll. Foto: Victoria Hoffmann

Blick auf den Platz am Schottenanger, der Standort für das Denkmal für die Opfer der Hexenverfolgung werden soll. Foto: Victoria Hoffmann

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