Biografie der Schönborns über Bauherren und geistliche Ränkeschmiede
Philipp Heilgenthal
5. April 2024

Das Wappen der Familie Schönborn oberhalb des Balkons der Residenz in Würzburg. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung
Die Schönbornstraße ist die beliebteste Einkaufsstraße in Würzburg, das Schönborntor eines der größten Bollwerke der Festung Marienberg. Und ihr Familienwappen thront in voller Größe über dem Balkon der Residenz. Doch nicht gerade viele Würzburgerinnen und Würzburger wissen, was ihre Stadt alles der Adelsfamilie der Schönborns zu verdanken hat, steht sie doch oft im Schatten des großen Julius Echter. Symbolisch dafür nennt die Würzburger Hofbräu ihr Weizen „Julius Echter“, wo doch eigentlich ein Schönborn 1643 das fürstbischöfliche Hofbräuhaus gründete – lange nach dem Tod seines berühmten Vorgängers.
Ein neues Buch kann die Wissenslücke über die für Würzburg so bedeutende Familiengeschichte schnell schließen. So machte es sich Karin Schneider-Ferber mit ihrer neuen Biografie zur Aufgabe, das Phänomen des rasanten Aufstiegs einer Familie von mittellosen kleinen Landadeligen zu einem der einflussreichsten Adelsgeschlechter des 18. Jahrhunderts in Süddeutschland und dessen ebenso rasanten Abstieg in Folge der Säkularisation zu erklären. Darum geht es im Sachbuch „Die Schönborns – Fürstbischöfe zwischen Macht und Kunst“:
Mächtige fränkische Adelsfamilie, die gar nicht aus Franken stammt
Anders als viele vermuten, stammen die Schönborns nicht aus Mainfranken, sondern aus dem Westerwald. Ihr Aufstieg begann mit einem begabten, wissensdurstigen Spross, namens Johann Philipp von Schönborn. Ihr Weg zum Aufstieg waren die geistlichen Territorien im rheinischen und im fränkischen Reichskreis, regiert von Fürstbischöfen, die wiederum vom jeweiligen Domkapitel gewählt wurden. So wurde der Sohn des unbedeutenden Georg IV zunächst Domkapitular in Würzburg, ehe er 1642 zum Fürstbischof gewählt wurde. Später erfolgte die Wahl zum Mainzer Erzbischof und damit zum Kurfürsten und schließlich zusätzlich die Wahl zum Fürstbischof von Speyer.
Strenge Familienpolitik und eine gehörige Portion Vetternwirtschaft
Mit Johann Philipp erfolgte eine streng disziplinierte Familienpolitik, die die Autorin in all ihrer Kompliziertheit schnell und leicht erklärt auf den Punkt bringt: Während mindestens ein männlicher Nachkomme möglichst viele Kinder zeugen musste, waren mehrere andere für eine kirchliche Karriere bestimmt. Die Töchter wurden dagegen gewinnbringend verheiratet, um entweder die Bande mit anderen gleichrangigen Adelsfamilien zu stärken oder um den Schönborns zu weiteren Rängen, Territorien und Titeln zu verhelfen. So und durch eine gehörige Portion Vetternwirtschaft wurde Rudolf Franz Erwein von Schönborn schließlich Graf von Wiesentheid. Der Familienzweig Schönborn-Wiesentheid existiert im Übrigen bis heute und ist im Besitz weitreichender Weingüter. Trotz der strukturellen Bevormundung ihrer Neffen, Nichten und Geschwister erlebten die von Schönbornschen Bischöfen regierten Fürstbistümer eine Blüte und ihre Politik des Friedens und Ausgleichs hatte – nicht zuletzt in ihrer Rolle als Mainzer Kurfürst und damit als Reichskanzler – großen Einfluss auf das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation.

Das Stift Haug mit seiner markanten Kuppel ist von weither zu sehen. Johann Philipp von Schönborn ließ das barocke Schmuckstück 1670 bauen. Foto: Johannes Kiefer
Was der „Bauwurmb“ der Schönborns der Nachwelt hinterließ
Was sich durch die Geschichte der Schönborns zieht, ist der „Bauwurmb“ (ja, es schreibt sich tatsächlich mit b am Ende). Von dem sei die gesamte Familie besessen, wie es Lothar Franz von Schönborn, Fürstbischof von Bamberg und Erzbischof von Mainz selbst bezeichnete. Damit ist der Drang gemeint, opulente barocke Prachtbauten zu planen und der Nachwelt zu hinterlassen. Und diese sind bis heute in Franken reichlich erhalten, allem voran in Würzburg. Zu nennen wäre vor allem das Stift Haug als erste große barocke Kirche nördlich der Alpen, das Schloss in Pommersfelden, die Bamberger Residenz und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Und zu guter Letzt die einzigartige Würzburger Residenz, in Auftrag gegeben von Johann Philipp Friedrich und im Rohbau vollendet unter seinem Bruder Friedrich Karl.
Ausführlich erklärt die Autorin, mit welchen Mitteln die Schönborns ihren „Bauwurmb“ stillen konnten und welche Probleme dabei auftauchten. Die Fülle an ausführlichen Beschreibungen der barocken Prachtbauten mit ihren Details und Bedeutungen wirkt fast schon etwas ermüdend und liest sich stellenweise wie ein Reiseführer für frühneuzeitliche Kulturgeschichte in Franken. Doch gehört dieser Teil der Geschichte in dieser Ausführlichkeit zu den Schönborns derart dazu, dass er unmöglich in nur einem Kapitel behandelt werden kann. Nicht umsonst spricht man in dieser Zeit gerade in der Baugeschichte von Trier bis Bamberg sogar von der Schönbornschen Ära. Schließlich ließen die Schönbornschen Fürstbischöfe erbauen
Mit Kritik an die Schönborns gespart – zurecht?
Karin Schneider-Ferber geht allerdings sparsam um, Kritik an der Familie zu üben. Einzig Johann Philipp Franz, der in seiner kurzen Amtszeit das Fürstbistum Würzburg in den finanziellen Ruin trieb, bekommt sein Fett weg. Dagegen wird die zunehmende Verelendung der breiten Bevölkerung infolge des absolutistischen Größenwahns der Adeligen – nicht nur, aber auch im großen Maße von den Schönborns – in jener Zeit, nur am Rande erwähnt. Allerdings fällt es verständlicherweise schwer, nicht zuletzt aufgrund ihres reichhaltigen Erbes an die Nachwelt, die geschickten, erfolgreichen geistlichen Herren von Schönborn nicht durchgängig in ein gutes Licht zu rücken. Bleibt eine kurzweilige, übersichtliche Familienbiografie, die (Kunst-)geschichtsinteressierten nach dem Lesen die Augen öffnen, wenn sie beim Altstadtrundgang in Würzburg plötzlich hinter die Fassaden der barocken Prachtbauten blicken können.
Das Buch „Die Schönborns – Fürstbischöfe zwischen Macht und Kunst“ von Karin Schneider-Ferber erschien am 14. März im Verlag Friedrich Pustet. Es ist in örtlichen Buchläden wie Hugendubel oder Schöninghs oder im Onlineshop des Verlags für 16,95 Euro erhältlich.