Barkeeper-Ikone Nadine kehrt Würzburg den Rücken: „Ich lebe jetzt tagsüber!“

Manuel Scholze

25. Juni 2024

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Nadine Hofmann hat im Zauberberg aufgehört. Jetzt beginnt sie ein neues Leben in Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Benjamin Brückner

„Ich laufe nicht weg, um anderen eine Lektion zu erteilen, sondern, weil ich meine eigene Lektion gelernt habe“, zitiert Nadine Hofmann einen unbekannten Autor. Hinter ihr liegen Monate der Selbstfindung, die in einer Entscheidung enden: der Schritt in ein neues Leben.

Erst im vergangenen Jahr durfte die langjährige Airport- und Zauberberg-Barkeeperin auf 30 Jahre Bardienst im Nachtleben zurückblicken. Für sie rückwirkend eine Zäsur: „Diese 30 Jahre, die Zahl war ein totaler Schnitt für mich. Ich hatte danach ein paar Kreislaufzusammenbrüche im Club und mir ging es schlecht. Die Ärzte haben attestiert, dass ich topfit war. Mir war dann schon klar, dass das möglicherweise dennoch das Ende an der Bar bedeutet.“ Die „Naddl“, wie die meisten sie nennen, lies sich beraten und ging Anfang des Jahres auf eine Kur. „Das kann ich jedem empfehlen, das ist eine gute Sache. Dort konnte ich mich selbst finden und rückwirkend betrachtet war das ein echter Traum. Ein bisschen, als würde einen eine Firma auf ein Überlebenstraining schicken. Ich konnte nachdenken und mir über einiges klar werden, auch wenn mir die Arbeit in der Nacht so lange Spaß gemacht hat. Irgendwann ist es vorbei.“

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„Ich habe Arbeit teilweise mit Leben verwechselt“

Generell spricht Nadine von einem „neuen Leben“, das für sie außerhalb von Würzburg startet. „Ich ziehe nach Born am Darß, das ist an der Ostsee nach der polnischen Grenze. Ich bin somit ans Meer gezogen.“ Hier soll ihr das gelingen, was ihr in den letzten Jahren nicht gelang: „Ich habe Arbeit teilweise mit Leben verwechselt.“ Jetzt wohne sie unweit der Küste an einem Inlandsgewässer. Dort will sie abschalten können. Mit der Ostseeküste verknüpfe sie Kindheitsurlaube, mit den Eltern. „Das Meer ist für mich der Wahnsinn, das macht was mit mir.“

Klingt nach Urlaub, der berufliche Alltag wird nach einem knappen halben Jahr krankheitsbedingter Auszeit dennoch wieder Einzug erhalten. Ein Erlebnis-Gutshof im nahegelegenen Naturschutzgebiet engagierte Naddl als Restaurantleitung. 35.000 Hektar Fläche mit 5.000 Rindern umfasst das Gelände. „Es gibt einen Kletterpark und einen Hofladen, alles, was wir in Sachen Fleisch im Restaurant servieren, kommt vom Hof.“ Das Ausflugsziel biete andere Arbeitszeiten für die Kult-Barkeeperin: Die Küche ist von 12 Uhr mittags bis 19 Uhr abends geöffnet.“ Uhrzeiten, die sich für Nadine Hofmann mittlerweile viel normaler als früher anfühlen.

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Beim Klassentreffen um 23 Uhr fast eingepennt

„Seit ich auf der Kur war, habe ich einen anderen Rhythmus angenommen. Ich hatte neulich 30 Jahre Abitreffen und bin ich am Abend um 23 Uhr fast eingepennt. Für mich war es echt hart, bis halb zwei wach zu bleiben“, sagt die Frau, die für gewöhnlich bis fünf Uhr morgens an der Theke stand und danach noch aufräumte. Dass sie es ernst meint mit ihrem Ende des Nachtlebens, zeigt auch ihr Kleiderschrank. „Ich habe beim Fashionflohmarkt in der Posthalle fast alles von meinen Glitzer- sowie Lack- und Lederoutfits verkauft. Das brauche ich auf dem Gutshof nicht mehr.“

Der Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern wurde bereits mit einem Freund aus der Kur und einem Türsteher aus dem Zauberberg erledigt, heute, am 23. Juni, ist sie nun endgültig unterwegs in die neue Heimat, in der sie ein „normales Leben“ führen wolle.

Naddl, die Neu-Ostdeutsche

Konkret bedeutet das: „Ich lebe jetzt tags und habe mit der Nacht nichts mehr zu tun. Dort, wo ich bin, da gibt es kein Hochhaus und gar nichts. Da gibt es kein Nachtleben, erst in Rostock, das 60 Kilometer entfernt liegt. Und das sei völlig ok, genauso wie der Fakt, dass sie jetzt „ein Ossi“ geworden sei. „Wenn ich einen Krapfen möchte, muss ich jetzt halt Pfannkuchen bestellen.“

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