Kiliani-Kellner Mario Keding plaudert im Interview aus dem Nähkästchen
Philipp Heilgenthal
8. Juli 2024

Mario Keding ist ein echtes Urgestein unter den Kellnerinnen und Kellnern auf dem Frühjahrsvolksfest und dem Kiliani. Foto: Philipp Heilgenthal
Sie machen für viele einen erstaunlichen Job, der zahlreiche Fragen aufwirft: Kellnerinnen und Kellner auf Volksfesten. Wie schafft man es – auch als Frau – zwölf Maß Bier zu stemmen? Wie viele Kilometer läuft man im Bierzelt pro Schicht? Wer gibt am meisten Trinkgeld? Zeit, solche Fragen einem echten Urgestein unter den Kiliani- und Frühjahrsvolksfest-Bedienungen zu fragen: Mario Keding. Nebenbei spricht der freundliche Kellner in unserem Interview auch über seine langjährigen Beobachtungen zu den beiden Würzburger Volksfesten und was ihm an ihnen besonders gefällt.
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Seit 19 Jahren hauptberuflicher Kellner auf Volksfesten
Würzburg erleben (WE): Hallo Mario, vielleicht stellst Du Dich erst einmal kurz vor.
Ich bin 55 Jahre alt, komme aus dem Vogtland [Sachsen an der Grenze zu Oberfranken, Anm. d. Red.] und arbeite seit 2005 hauptberuflich als Kellner auf Volksfesten in ganz Deutschland. Ich kellnere schon seit meinen frühen Jugendtagen. Seit 2011 bin ich jedes Jahr auf dem Würzburger Frühjahrsvolksfest und dem Kiliani dabei.
WE: Wow, da steht ja die geballte Volksfesterfahrung vor uns! Hauptberuflich auf Volksfesten hört sich nach krasser Saisonarbeit an.
Ja, von März bis Oktober bin ich ständig am Arbeiten und unterwegs. Da bleibt natürlich die Familie ein Stückweit auf der Strecke. Zum Beispiel kann ich eigentlich nie zu Geburtstagsfeiern im Sommer kommen.
WE: Warum macht Dir Dein Job als Bedienung auf Volksfesten (dennoch) so viel Spaß?
Mir gefällt vor allem die Abwechslung. Immer wieder in einer neuen Stadt in einem anderen Bierzelt mit anderer Atmosphäre – da wird es nie langweilig. Außerdem hat man eine gewisse Freiheit, wie man sich die Schichten und die Feste einteilt. Schließlich gefällt mir der ständige Kontakt mit vielen Menschen sehr.

Ein proppenvolles Kiliani-Festzelt. Da wird es für Bedienungen wie Mario oft schwer, durchzukommen. Ein ständiges Stop-and-Go ist die Folge, das schon mal auf die Beine geht. Foto: webflasher.
WE: Machen das alle Kolleginnen und Kollegen hauptberuflich oder kann man auch mal zum Beispiel als Studentin oder Student aushelfen?
Die meisten von uns machen das Hauptberuflich. Wir haben aber natürlich auch immer Studentinnen und Studenten und Aushilfen aus dem Ausland mit im Team.
WE: Braucht man als Kellnerin oder Kellner ein gewisses Talent? Muss man dafür eine spezielle Schulung durchlaufen?
Nein, jeder, der Spaß daran hat und motiviert ist, kann das lernen. Da ist man schnell drin. Natürlich sollte man eine gewisse Ausdauer mitbringen. Aber entscheidend als Kellner auf einem Volksfest sind Wille und Freude an der Arbeit.
Der Wille versetzt Berge – und zwölf Maß Bier auf einmal
WE: Stichwort Ausdauer und Kondition: Wie schafft man es, zwölf volle Maßkrüge tragen zu können?
Das meiste ist Technik. Da gibt es unterschiedliche Techniken. Die meisten Frauen tragen die Krüge nah am Körper, damit es nicht so in die Arme geht. Dabei macht man sich aber ruckzuck die Tracht nass. Deshalb halte ich, wie auch die meisten anderen Männer, die Krüge vom Körper weg. Wichtiger als die eigentliche Musekelkraft ist jedoch die Willenskraft, die Krüge stemmen zu können. Man gewöhnt sich auch einfach schnell an die Belastung wie zum Beispiel ein Schmied, der den ganzen Tag den Hammer schwingt.
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Gerade auf dem Frühjahrsvolksfest – auf dem ersten Volksfest nach der langen Winterpause – merke ich die Belastung deutlich mehr. Da brauche ich dann erst mal wieder Übung, um reinzukommen. Nach Feierabend merke ich jedoch viel mehr die Beine als die Hände.
WE: Warum das? Weil Du viel läufst?
Ja natürlich. Kollegen von mir haben die Laufstrecke während einer Schicht – unter der Woche ca. 7-8 Stunden, am Wochenende 10 Stunden – messen lassen und sind auf durchschnittlich bis zu zwölf Kilometer gekommen. Aber nicht nur die reine Laufstrecke ist eine hohe Belastung: Zum einen bist du sehr schnell unterwegs, um möglichst viel verkaufen zu können. Zum anderen ist es wegen den vielen Leuten in den Gängen und anderen Hindernissen ein ständiges Stop-and-go, das vor allem die Knie stark belastet.
WE: Du wirkst aber mit 55 Jahren noch sehr fit und entspannt. Willst Du bis zur Rente Kellner bleiben?
Ja, ich habe schon vor, bis zum Schluss auf den Volksfesten unterwegs zu sein, wenn nichts dazwischenkommt.

Mit Stammgästen und alten Weggefährten wie dem Würzburger Original Helmut Wirth verbindet Kellner Mario bereits langjährige Freundschaften. Foto: Philipp Heilgenthal
WE: Kommen wir auf Würzburg zu sprechen: Was gefällt Dir besonders am Frühjahrsvolksfest und am Kiliani?
Obwohl hier viel los ist und immer gute Stimmung ist, herrscht noch eine sehr familiäre Atmosphäre. Man findet immer wieder alte Weggefährtinnen und Freunde. Hier habe ich einen großen Bekanntenkreis und werde von Stammgästen jedes Jahr angesprochen.
„Auf den Würzburger Volksfesten herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre“
Außerdem haben die beiden Volksfeste eine sehr gute Entwicklung gemacht. Als ich hier anfing, war das Festzelt des Frühjahrsvolksfestes gerade einmal halb so groß wie heute und trotzdem weniger ausgelastet. Kiliani und Frühjahrsvolksfest sollten unbedingt ihre Eigenständigkeit, beziehungsweise ihren eigenen Charakter bewahren!
Im Festzelt noch nie eine Schlägerei beobachtet
WE: Wenn unsere Community von einer Schlägerei im oder neben dem Bierzelt liest, kommen meist zahlreiche Kommentare mit Behauptungen, auf Volksfesten gehe es sehr aggressiv zu und die Gewalttaten würden dabei jedes Jahr zunehmen. Wie schätzt Du das als langjähriger Beobachter ein – sowohl allgemein als auch speziell mit Blick auf Würzburg?
Zunächst einmal: Ich kann mich während meiner gesamten Berufskarriere als Kellner an keine einzige Schlägerei erinnern, die ich im Festzelt live beobachtet habe. Gerade beim Frühjahrsvolksfest und dem Kiliani herrscht eine extrem friedliche Stimmung. Da hat die familiäre Atmosphäre einen sehr großen Einfluss. Gewalttaten sind hier und auch woanders immer seltene Einzelfälle mit speziellen Hintergründen.
„Volksfeste werden jedes Jahr friedlicher. Früher ging es viel schlimmer zu.“
Generell würde ich tatsächlich sagen, dass Volksfeste jedes Jahr friedlicher und Zwischenfälle immer seltener werden. Wenn man dagegen Geschichten aus vergangenen Jahrzehnten hört, mit Massenschlägereien und großflächigem Vandalismus, kann man nur den Kopf schütteln und froh sein, wie gesittet und vorbildlich sich die Menschen in der Gegenwart auf Volksfesten inzwischen verhalten.
WE: Wie kann man sich das Beschäftigungsverhältnis als Kellner auf dem Frühjahrsvolksfest oder Kiliani vorstellen?
Wir arbeiten rein auf Umsatz: Je mehr wir an die Gäste verkaufen, desto mehr Geld verdienen wir. Das ist also echte Akkordarbeit. Vor allem verdient man natürlich am Trinkgeld. Ohne Trinkgeld wäre der Job nicht attraktiv. Trotz der Selbstständigkeit sind wir aber alle durch die Bank bei den Festwirten sozialversichert und für die Zeit des jeweiligen Festes fest angestellt.
Trinkgeld: Mario räumt mit einem hartnäckigen Oktoberfest-Klischee auf
WE: Es gibt das hartnäckige Klischee, Gäste, die – vor allem auf dem Oktoberfest – kein Trinkgeld geben, werden von den Kellnerinnen und Kellnern danach nicht mehr bedient.
Das stimmt überhaupt nicht. Viele Leute haben einfach nicht genug Geld zur Verfügung, um noch Trinkgeld dazuzugeben. Dafür haben wir Verständnis und ich bin dann auch nicht groß böse. Auch nicht auf dem Oktoberfest. Gerade aber in Würzburg können wir uns wirklich nicht über zu wenig Trinkgeld beschweren.
WE: Wer gibt am meisten Trinkgeld im Festzelt?
Das sind die Stammgäste, mit denen ich eine persönliche Beziehung habe. Da sitzt der Geldbeutel immer etwas lockerer.
WE: Und noch eine persönliche Frage: Was sind Deine Lieblingsbands auf dem Frühjahrsvolksfest und dem Kiliani?
Die Klassiker, die immer spielen: Aalbachtalexpress und die Grumis. Da kennt man sich auch schon über Jahre und ist miteinander befreundet.
Die schönsten Fotos vom Frühjahrsvolksfest gibt es bei unseren Freundinnen und Freunden von mainDing, auf www.main-ding.de/fotos.