5 Wein am Stein-Typen, die jeder kennt
Wuerzburgerleben
17. Juli 2024

Jedes Jahr lockt Wein am Stein aus verschiedenen Gründen ganz unterschiedliche Menschen an. Foto: Silvia Gralla
Wein am Stein in Würzburg ist schon ein sehr besonderes Weinfest: Für einige besonders stilvoll, für andere besonders teuer, für neutrale Beobachter mit einem besonders seltsam breitgefächerten Publikum, für manche mit einem besonders widersprüchlichen Angebot und für die meisten besonders musikalisch. Auf jeden Fall zieht dieses Weinfest keineswegs nur eine standarttypische Art von Gast an. Vielmehr gibt es ganz unterschiedliche Wein am Stein-Typen, die ihre ganz eigenen Gründe haben, zum Weingut am Stein zu pilgern. Wir haben in der Redaktion zusammen überlegt was diese Typen ausmacht und sie für euch – natürlich etwas überspitzt und mit einem leicht ironischen Blickwinkel – beschrieben. Viel Spaß!
Die Jung-Anwältin beim After Work – Sehen und gesehen werden
Im schicken Sommerkleid mit Louis Vuitton-Handtasche und Gucci-Sonnenbrille auf der Nase – das könnte die klassische Jung-Anwältin aus einer angesehenen Würzburger Kanzlei sein. Unterwegs ist sie natürlich mit den lieben Kolleginnen und Kollegen, der Chef hat zum After Work geladen. Wie jedes Jahr reservierte er einen Tisch in bester Lage, mit Blick auf die Stadt und den Weinreben im Rücken. Am Tisch herrscht beste Stimmung, die noch besser wird, sobald die Magnumflasche Sekt und einige Flaschen vom besten Tropfen Rebensaft aufgefahren werden. „Leute, lasst mal ein Foto machen!“ Die Jung-Anwältin hat ihr iPhone längst in der Hand – wie eigentlich immer – und ist auch schon drauf und dran, die nächste Bedienung als Fotografin zu verdonnern. „Gerne mehrere Bilder und bitte hochkant für Insta!“, werden die Anweisungen gegeben, bevor die Gucci-Brille nochmal zurechtgerückt und ein möglichst künstliches Lächeln aufgesetzt wird. Nach der Fotosession wird direkt der beste Shot ausgesucht, um den Insta-Followern neues Futter zu bieten. Hashtag „crewlove“ und so.
Alles für die Follower auf Instagram
Je später der Abend, umso ausgelassener die Plaudereien. Seriöses Juristengefachsimpel ade, Party hallo! Der Chef ist gut drauf, was an dem durchgehend gut gefüllten Weinkühlern auf dem Tisch zu erkennen ist. Das wird dann wohl ein günstiger Abend – obwohl die aufstrebende Juristin auch kein Problem damit hätte, wenn sie ihre Getränke selbst zahlen müsste, die schwarze American Express regelt schließlich. Na jedenfalls ist es jetzt auch mal an der Zeit, eine kleine Runde zu drehen. Man muss schließlich auch mal schauen, wer so alles da ist. Mit der Kollegin im Schlepptau geht’s Richtung Bühne – ach stimmt, Musik gibt’s bei Wein am Stein ja auch. Aber hier ist es eindeutig viel zu voll und von wild tanzenden Barfußmenschen flüchtet man auch besser, nicht, dass das 400-Euro-Kleid nen Weinfleck abbekommt! Also lieber wieder auf dem „catwalk“ präsentieren und vielleicht noch das ein oder andere Foto schießen. Was tut man nicht alles für seine Follower! Abgesehen vom überaus reichlichen Insta-Content, der an diesem Abend erstellt werden konnte, war das After Work Wein-Event auf jeden Fall wieder ein voller Erfolg! Nächstes Jahr ganz bestimmt und gerne wieder! #weinamsteinliebe
Die alternative Konzertgängerin – Wofür brauche ich denn Schuhe?
Wein am Stein ist für viele in erster Linie ein Weinfest, ein besonders schickes eben. Für manche steht jedoch vor allem Wein am Stein als Musikfestival im Vordergrund. So kommt eine typische alternative Konzertgängerin wegen einer der vielen Reggae-, Ska-, World Music- und anderen musikentdeckerischen Bands in das Weingut. Dementsprechend sieht ihr Erscheinungsbild aus: Auf dem Kopf braune Dreadlocks und an den Füßen kein Schuhwerk – es ist ja schließlich Sommer und warm und so hat man eine direkte Verbindung zur Erde. Dazwischen trägt sie die neueste (oder älteste?) Kollektion der Bodenstation. So fühlt sich die alternative Konzertgängerin wohl, erst recht, wenn Dauerbrenner Jamaram bei Wein am Stein spielt.
So viele unpassend gekleidete Bonzen – wie auf einer Jacht in St. Tropez
Was andere von ihrem Outfit denken, ist dem Reggae-Fan herzlich egal. Sie toleriert ohnehin selbst jeden Style und jede Lebenseinstellung, auch wenn die meisten das super Konzert der Münchner Jam-Könige heute völlig unpassend gekleidet sind. Sie registriert unzählige eingebildete Bonzen, die aussehen, als wären sie auf einer Hochzeit auf Sylt oder auf einer Jacht in St. Tropez. Doch die nimmt die gelassene junge Wahl-Zellerauerin nur aus dem Augenwinkel wahr. Denn die alternative Konzertgängerin steht – wie es sich als echter Fan gehört – während des gesamten Konzerts vor der Bühne und tanzt und singt und genießt das Leben, ohne vom restlichen Trubel viel mitzubekommen.
Wein? Die alternative Konzertgängerin trinkt keinen Alkohol
So ist ihr die überteuerte Essenskarte mit dekadenten Menüs genauso herzlich egal wie die Weinkarte des Weinguts, denn sie trinkt sowieso keinen Alkohol. Den braucht sie eh nicht, um hier und jetzt gut drauf zu sein. Außerdem würde sie ein Weinglas sowieso nur verschütten, wenn sie zu ihrem Lieblingslied “La Famille” hemmungslos und wild tanzt. Hubs! Neben ihr steht gerade so ein Schnösel, der das mit dem Konzert-Konzept nicht verstanden hat und dessen Weinglas sie in diesem Moment beim Tanzen verschüttet hat. Eigentlich müsste sie ihm wohl ein neues Glas Wein bezahlen, nur damit er es auch wieder in der Publikumsmenge verschüttet. Da lächelt die alternative Konzertgängerin ihn lieber lieb an, schaut ihm freundlich in die Augen, sagt “Entschuldige” und streichelt ihm kurz sanft über den Oberarm. Tatsächlich stimmen ihn die Gesten zufrieden. Doch nicht nur das: Ihre positive Energie scheint sich auf den Schnösel im weißen Hemd übertragen zu haben und er lockert so langsam seine steife Haltung. Zufrieden denkt sie sich: “So ein Clash der Kulturen auf Wein am Stein ist doch eigentlich echt toll.”

Wein am Stein bietet eine herrliche Kulisse. Foto: Fabian Gebert
Der Würzburger Unternehmersohn – So macht man(n) Business
Der Typ im weißen Hemd, der St. Tropez-Vibes für alle mitbringt, die mit St. Tropez wirklich gar nichts am Hut haben: Er könnte der Würzburger Unternehmersohn sein. Heute ist er mit seinen Jungs wieder (man geht nicht nur einmal auf Wein am Stein111!!!) im Großraumtaxi angereist und hat natürlich über Connections einen der Tische mit ihrem nicht allzu wilden Mindestverzehr ergattert. Es ist schon der dritte Tag in Folge, an dem er an diesem schönen Sonntagabend am Stein sitzt. Sehen und gesehen werden, so macht man(n) Business! Und lernt vielleicht auch zukünftiges Heiratsmaterial kennen. Schon vorab ist klar, dass besagter Mindestverzehr auch diesem eigentlich als Katertag geplanten Sonntag lässig erreicht werden wird. Schließlich werden nicht nur die Kumpels am Tisch versorgt, sondern auch noch ein paar hübsche vorbeischwirrende Flybies eingeladen.
Das sauer verdiente Geld in weniger saurem Tropfen ummünzen
Die Auszeit am Stein ist ehrlich gesagt eine passende Maßnahme, mit der der Unternehmersohn seine häufig eng sitzenden Ketten sprengt. Schließlich kommen mit Privilegien auch die Schattenseiten. Vor vier Jahren hat er den mittelständischen Betrieb von seinem Dad übernommen, auch wenn der Senior noch kräftig mitmischt. So ist nicht jeder Tag ein Zuckerschlecken, Erbe verpflichtet. Da werden die unternehmerischen Sorgen auch schnell mal im hochklassigen Silvaner ertränkt. Mit einem einfachen Bocksbeutel will sich der feine Bursche nicht zufriedengeben: Das sauer verdiente Geld will in einen weniger sauren Erste-Lage-Tropfen umgemünzt werden. Steter Stettener Tropfen höhlt schließlich den Stein, und wenn aus ihm ein Bach wird, dann beruhigt sich auch die Birne, die für den anstehenden Montag eigentlich schon wieder am Rauchen war.
Auch echt lustig und mit Wiedererkennungswert: 5 Kiliani-Bierzelttypen, die jeder kennt
Ein bisschen Sonnenschein vor der katastrophalen anstehenden Arbeitswoche
Sind die ersten drei Schoppen gekippt, wird im handgewebten Ralph-Lauren-Stöffchen auch zur Musik gezappelt, Schließlich sind die Ladys auch immer vor der Bühne zu finden. Und um ein fahl brennendes Lichtchen in der Würzburger Prominenz sammeln sich meist kleine Kerzen, die gerne entzündet werden wollen. So macht sich das Söhnchen gut mit seiner Pulle, die immer wieder durstigen fremden Kehlen Erleichterung verschafft. Freundschaft ist käuflich, zwar nicht im Falle seiner Jungs, die ihn ganz sicher um Mitternacht wieder ins Taxi schleppen werden. Aber immerhin im Falle derer, die heute Wohlgefallen am Jungunternehmer finden und die ihm ein bisschen menschlichen Sonnenschein vor einer höchstwahrscheinlich katastrophalen anstehenden Arbeitswoche spenden.

Wein am Stein. Foto: Silvia Gralla.
Die JGA-Tante von Außerhalb – Kein Witz: Ich trink lieber Aperol Spritz
Zwischen all den unterschiedlichen Einheimischen tummeln sich vor allem am Wochenende stets gleich mehrere weibliche JGA-Gruppen von weit außerhalb Unterfrankens, die nicht nur äußerlich ganz anders aus der Reihe tanzen. „Ganz schön voll hier!“, ist das Erste, was sich die typische JGA-Tante denkt, wenn sie mit ihrer achtköpfigen ‚Mädelscrew‘ mit goldenen ‚Team-Braut‘-Schärpen und selbstgeflochtenen Blumenstirnkränzen in die Location stolpert. Erst mal die Herzchenbrille absetzen und sich ein Bild von der Szenerie verschaffen. Die Trauzeugin hat ihr zwar schon viel versprochen, als sie von dieser Veranstaltung erzählte. Aber nie hätte sich die Tages-Würzburg-Touristin ein olles Weinfest derart schön, hipp und originell vorstellen können!
Schon geht die erste verloren
Nur sind sie hier an diesem Samstagabend bei weitem nicht die Einzigen. Also erst mal mit der ganzen Truppe rumlaufen, irgendwo muss es doch noch ein ruhiges Plätzchen geben, wo selbst eine achtköpfige Crew genug Platz findet, um nicht ständig jemanden anzurempeln. Zack, schon ist die erste Freundin verloren gegangen. Egal, die finden sie früher oder später schon wieder. Und so verbringt das Team Braut gefühlt mehr als den halben Abend mit herumlaufen im Weingut auf der Suche nach einem geeigneten Platz und nach den unterwegs verlorengegangenen Weggefährtinnen. Irgendwann sind dann doch wieder alle zusammen und finden sich in der Nähe der Bühne wieder. Jetzt schnell die Fotografin für ein Gruppenfoto anstupsen. Perfekt! „mainDing“ steht auf deren Visitenkarte drauf… noch nie gehört. Woher denn auch?
Nicht, dass dieser bayerische Wein sauer schmeckt
Fehlt nur noch was zu trinken! Am Weinstand ist die Nordhessin völlig überfordert. Puh, so viele verschiedene Weinsorten, Jahrgänge und sonstiges Gedöns! Und dann noch verschiedene Weinlagen im Maintal, die ihr genauso viel sagen wie verschiedene Hirsesorten aus Mali. Was soll man da nur nehmen? Am Ende gibt’s dann doch lieber etwas Vertrautes für alle: Aperol, Aperol, Aperol Spritz – kein Witz, hihi! Denn wer weiß, wie sauer dieser bayerische Wein schmeckt und was dieses komische VDP bedeuten soll – hört sich irgendwie billig an.
Andere Weinfeste gefällig? Fränkischer Weinfestkalender: Alle Weinfeste in Würzburg und Umgebung
Da kennen die JGA-Tante von Außerhalb und ihre Mädels kein Halten mehr: Die Gläser klirren und das Geschrei ist riesengroß. Die Lieder dieser Blues-Zeugs-Band kennt zwar keine von ihnen, weshalb sie leider nicht mitsingen können. Doch der Sound groovt richtig und alle haben – so angetüdelt wie sie sind – ohnehin unbändige Lust zu Feiern. So schwingen die Junggesellinnen die Hüften, dass schon mal der ein oder andere Blumenkranz herunterfällt. Doch schon hebt ihn ein gut gekleideter Gentleman auf. Ein Jungunternehmer! Da bekommt die JGA-Tante den nächsten „holy Aperoly“ wohl ausgegeben. Sie kann ihm ja später noch erzählen, dass sie eigentlich schon vergeben ist.

Nicht nur vor der Bühne herrscht bei Wein am Stein oft großes Gedränge. Foto: Fabian Gebert
Der arme, geizige Student – Lieber 2.50 € für 1 Liter Lidl Landwein
Selbst Zweitsemesterstudentinnen und -studenten in Würzburg bekommen sofort mit, dass das Wein am Stein ein cooles Weinfest mit guten Livebands und einer phänomenalen Aussicht auf ihren neuen Studienort ist. Das Problem nur: Die Veranstaltung ist für sie normalerweise deutlich zu kostspielig. So trinkt der typische arme, geizige Student normalerweise auf WG-Partys oder unten auf den Mainwiesen Wein für 2.50 € vom Lidl – die ganze Pulle, versteht sich; 1 Liter, nicht 0,75 l. Bereits in Studentenbars ist ihm Wein eigentlich zu teuer, weshalb er dort normalerweise lieber beim Bier bleibt.
Tischreservierung nur als frisch gebackener Lottogewinner
So ist er sichtlich schockiert, wenn er zum ersten Mal von den Preisen auf dem Wein am Stein hört, die für längst arbeitende Yuppies zwar leicht verkraftbar sind, bei ihm aber ganz schnell auf das kleine monatliche BAFöG drücken. Deshalb käme für den Würzburg-Neuling eine Tischreservierung nur infrage, wenn er vorher den Millionen-Jackpot im Lotto gewonnen hätte. Ansonsten ist für den ehrgeizig-geizigen Studenten gute Vorbereitung gefragt, wenn er Geld sparen möchte: Gegessen wird daheim im Wohnheim (Nudeln mit Pesto, wie fast jeden Tag), genauso wie vorgeglüht, bis er kurz vor dem Eingang den Rest seines zweiten 1-Liter-Lidl-Landweins runterstürzt. Nachdem der Studi nach einer Stunde doch mal Nachschub braucht, bestellt er am Stand den günstigsten Wein auf der Karte, ganz egal welcher das ist und um wie viel Cent er weniger als die anderen kostet. Wasser kommt selbstverständlich erst gar nicht in Frage („herausgeschmissenes Geld“).
Nächstes Jahr läuft alles anders – oder doch nicht
Nachdem er die Herzattacke überlebt hat, als er beim Bezahlen noch nicht wusste, dass zum Preis noch 5 Euro Pfand gehören, erlebt er eigentlich eine schöne, aufregende Zeit auf einem Fest, das er so während seines Studiums noch nie erlebt hat. Nur kommt er sich mit seinem blauen Tom Taylor Shirt und seiner C&A-Hose gegenüber all diesen herausgeputzten Snobs äußerst schäbig vor. Und insgeheim rechnet der arme Student schon im Kopf nach, wie viele Drinks er allein für das Eintrittsgeld und den einen Schoppen auf einer Wohnheimparty im PSW (Peter-Schneider-Wohnheim) bekommen hätte. Deshalb nimmt er sich fest vor: „Nächstes setzen wir uns einfach oberhalb des Weinguts in die Weinberge, lauschen dort der Livemusik und genießen die freie Aussicht, während wir unseren mitgebrachten (Lidl-)Wein trinken.“ Außer natürlich, die ganzen Mädels wollen doch lieber wieder rein.