WM-Boykott: kein großes Public-Viewing-Angebot in Würzburg
Philipp Heilgenthal
15. November 2022

Viele Menschen freuen sich bereits auf Public Viewing in Würzburg. Foto: Daniel Peter.
Schon seit Jahren gibt es hitzige Diskussionen über den Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Die zahlreichen Korruptionsvorwürfe sowie die Missachtung der Menschen- und Frauenrechte im eigenen Land sind nur einige Gründe, warum viele Fußballfans über den WM-Austragungsort Katar erzürnt sind. Der Aufruf „Boycott Quatar“ macht daher derzeit überall die Runde, so auch bei zahlreichen Kneipenbesitzerinnen und -besitzern. In den meisten deutschen Städten werden die WM-Spiele an den sonst üblichen öffentlichen Plätzen diesmal nicht ausgestrahlt. Viele Kneipen und Bars in Würzburg entschieden sich dennoch, die WM-Spiele zu zeigen. Eine Übersicht gibt es hier.
Von WM-Euphorie keine Spur
Nach einer echten WM-Euphorie sucht man dieser Tage jedoch vergebens. Kaum eine Kneipe kündigt die Übertragung der WM-Spiele stolz an. Daneben schließen sich auch einige namhafte und große Würzburger Locations dem Boykottaufruf ganz bewusst an. Fest steht: Es wird in Würzburg kein echtes Public Viewing im großen Stil geben.
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Eine Fußball-Weltmeisterschaft zur völlig falschen Zeit
Dass es in Würzburg deutlich weniger Möglichkeiten geben würde, die WM, die am Sonntag, dem 20. November beginnt, zu verfolgen, war schon im Voraus klar. Denn allein durch die ungewöhnliche Verlegung auf November und Dezember fallen zahlreiche (fast) reine Biergärten wie die Jahnterrasse, das Zollhaus im Steinbachtal oder die Waldschänke Dornheim weg. Public Viewing auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt würde schließlich die adventliche Stimmung vermiesen. Außerdem bestünde dabei die Gefahr, dem Nachbarn beim euphorischen Torjubel mit dem heißen Glühwein das Gesicht zu verbrennen.
Viele kleinere Kneipen wie Käuzle oder Hasenstall kündigten an, ohne die zusätzlichen Außenflächen würde Public Viewing bei ihnen keinen Sinn ergeben. Andere Lokale wie etwa das Café Jenseits wollen um die WM kein großes Aufsehen erregen; allein schon, weil die Fußballstimmung nicht in die Vorweihnachtszeit passen würde.
„Nur so kann man diesen geilen Sport retten.“
Und dann wäre noch die Sache mit den Menschenrechten: Bekanntlich wurden die vielen Arbeiter auf den Baustellen unter sklavenähnlichen, menschenunwürdigen Umständen beschäftigt. Mehrere Tausend unter ihnen sind dabei gestorben. Selbst viele eingefleischte Fußballfans schwanken deshalb zwischen schlechtem Gewissen und Empörung, beziehungsweise absolutem Desinteresse.
Das spiegelt sich auch bei vielen Kneipen- und Clubbesitzerinnen und -besitzern in Würzburg wider. Sie nehmen ganz bewusst Umsatzeinbrüche in Kauf, in dem sie während der WM ihre Bildschirme auslassen. Wie etwa das Standard: „Seit Dekaden“ wird hier zum ersten Mal ein großes Fußballturnier nicht übertragen. „Selbst wenn es wirtschaftlich Sinn machen würde, hätten wir uns dagegen entschieden“, spricht Patrick Mantel, alias „Paddy“ auch im Namen seiner beiden ebenfalls fußballbegeisterten geschäftsführenden Kollegen. Paddy will auch privat keine Sekunde der WM verfolgen. „Nur so kann man diesen sehr geilen Sport retten“, meint der Fußballfan.
WM in allen Aspekten der Menschenrechte und der Nachhaltigkeit „völlig daneben“
Die Gründe für seinen geschäftlichen wie auch privaten Boykott liegen auf der Hand, wie auch Nik Zimmermann, Besitzer des Clubs „Das Boot“ erzählt: „Diese WM ist in allen Aspekten der Menschenrechte und der Nachhaltigkeit völlig daneben. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, dass man das nicht unterstützen darf.“ Nicht nachhaltig sei vor allem der Bau riesiger Stadien, die nach der WM kaum mehr Verwendung finden werden. Deshalb wird es dieses Mal auf dem Boot ausnahmsweise kein Public Viewing geben.
Mit dem Unicafé sagt ein weiteres beliebtes Lokal ganz klar „nein“ zur WM in Katar. „Aufgrund der politischen Situation in diesem Land wollen wir zeigen, dass wir dieses Turnier nicht unterstützen wollen und dass uns das ganze nicht interessiert“, positioniert sich Inhaberin Eva Moser deutlich. Ein Alternativprogramm wird es nicht geben. Genau wie im Standard wird es in dem Traditionscafé an der Ecke zur Sanderstraße weitergehen, als würde die WM gar nicht stattfinden.
Auch die Posthalle boykottiert die WM aus politischen Gründen
Am meisten Aufsehen erregt jedoch die klare Absage der Posthalle zur WM in Katar. In einem Statement schreibt Posthallenbetreiber Jojo Schulz: „Wir boykottieren die WM in Katar, weil auch König Fußball sich nicht über Menschenrechte hinwegsetzen darf!“ Aufgrund der Rolle der Frau und dem Umgang mit Gastarbeitern sieht die Betreibergesellschaft um Jojo Schulz die Vergabe der WM 2022 als äußerst problematisch und verzichtet damit aus Überzeugung auf ein lukratives Geschäft. Die Veranstaltungshalle bot in der Vergangenheit Platz für bis zu 2.000 Fans für ausgelassene Stadionatmosphäre und war damit auch gegenüber den Biergärten der mit Abstand größte Übertragungsort für WM-Spiele in Würzburg. Damit findet in Würzburg zur WM kein Public Viewing im großen Stil statt.