Erlebnisse aus dem Sozialkaufhaus Brauchbar in Würzburg 

Wuerzburgerleben

11. Oktober 2023

Nachhaltigkeit durch Second-Hand-Shopping

Die Brauchbar in Würzburg. Foto: Patty Varasano

Seit einem Vierteljahrhundert gibt es sie nun, die Brauchbar gGmbH in Würzburg. Kaum zu glauben, dass das Sozialkaufhaus am Europastern in Grombühl schon seit 25 Jahren sozial Bedürftige, Studentinnen und genügsame Schnäppchenjäger mit Möbel, Geschirr, Kleidung und Sonstigem versorgt. Zudem ist die gemeinnützige Organisation die perfekte Anlaufstelle für nachhaltig denkende Würzburgerinnen und Würzburger, um alten Gegenständen, die sie selbst nicht mehr brauchen, ein neues Leben zu schenken und andere damit glücklich zu machen. Wir haben den 25-jährigen Geburtstag zum Anlass genommen, eigene persönliche Geschichten rund um die Brauchbar zu erzählen. 

Nachhaltigkeit neu gedacht: Das Einweg-Mehrweg-System 

Philipp, Redaktion: Für eine WG-Party wollte ich für alle Gäste Chili kochen. Nun kennt man das Problem als Student, dass man nicht gerade 25 Löffel, Schüsseln oder Teller in der Küche herumfliegen hat. Einweggeschirr aus Plastik oder Pappe kam für mich aus Umweltschutz- aber auch aus ästhetischen Gründen nicht infrage. Und gleich Geschirr in vielfacher Zahl neu zu kaufen wäre zu teuer und für einen einmaligen Anlass auch völlig unnötig gewesen. Also was sollte ich tun? 

Nach der Party einfach wieder zurückbringen 

Da fiel es mir ein: Natürlich habe ich als Student schon mal hier einen Teller oder dort ein Gläser aus der Brauchbar gekauft und meine unzusammenhängenden Küchenutensilien damit ergänzt. Die Preise? Fast geschenkt. Deshalb kam mir die Idee, mich in der Brauchbar einmalig großzügig mit Löffeln und Schüsseln einzudecken. Nach der Party könnte ich die Sachen einfach spülen und kostenlos zurückbringen, damit sie direkt wiederverwendet werden können.  

„Danke für die faire Leihgebühr“  

Gesagt, getan: Das bunte Chili-Geschirrset hat mich vielleicht 7 Euro gekostet, genau weiß ich das nicht mehr. Auf jeden Fall kaum teurer als Einweg-Plastikgeschirr. Und sind wir mal ehrlich: Das gute Chili aus einem Plastikteller zu löffeln wirkt doch selbst auf einer Studenten-WG-Party armselig und ist dem selbstgemachten Gericht nicht würdig. Die Idee kam super an, die Leute waren begeistert. Am Ende hat mir der eine Löffel oder die andere Schüssel so gut gefallen, dass es mir schwerfiel, mich wieder davon zu trennen. Dafür habe ich anderes Geschirr aussortiert, das mir noch nie wirklich gefallen hat. Einen Tag später strahlten die Augen der Verkäuferin in der Brauchbar: „Vielen Dank für die großzügige Spende!“ Und ich dachte mir nur: „Vielen Dank für die faire Leihgebühr.“  

Einfache und günstige Ideen für Faschingskostüme 

Perfekter Hort für authentische Kostüme 

Was in der Brauchbar und vor allem in ihrer Zweitfiliale, der Pfundgrube, super möglich ist, ist alte Kleidung für Kostüme zusammenzusuchen. Ich bin ein großer Fan von selbst zusammengestellten Faschingskostümen. Standardkostüme sind mir dagegen oft zu langweilig. Egal ob als Cowboy, als Mafiosi oder für eine Trash-80er-Party: Hier habe ich schon oft etwas richtig Authentisches gefunden – für mich genauso wie für Freunde. Der Preis? Die Pfundgrube, in der es vor allem viel Kleidung gibt, hat seinen Namen nicht von ungefähr: Ein Pfund Kleidungsstücke kostet gerade einmal einen Euro.    

Fundstück: rekordverdächtig großer Aperol-Kelch für nahezu lau 

Manuel, Redaktion: Chili-Geschirr und Faschings-Kleidung weisen bereits darauf hin, dass die Brauchbar so ziemlich alles bietet, was für Menschen brauchbar oder auch ziemlich unbrauchbar, aber immerhin schön und gut erhalten ist. An keinem anderen Ort in Würzburg gibt es Bilderrahmen aus Vollholz für einen derart günstigen Preis. Ein Rahmen für einen Euro? Das kann sonst nur Ikea, Holz gibt es hingegen für den Preis beim schwedischen Möbelriesen nicht, sondern leicht aufquellenden Pressspahn. Für mich sind generell Schallplatten, Möbelstücke und Second-Hand-Klamotten aus den 80ern eine Reise in die Grombühlstraße wert. Auch, wenn es um Inspiration für Geburtstagsgeschenke geht. So fand ich in der Brauchbar ein Weinglas, das in seiner Größe keine Vergleiche scheuen durfte. Ein Kelch, so groß wie ein Kopf, mit einem Stil, der auch mit zwei gut ausgeprägten Wrestler-Händen zu umfassen war. Fassungsvolumen vielleicht ein ganzer Liter, genug, um sich einen ganzen Juspi-Silvaner-Bocksbeutel ohne einmal nachzuschenken hinter die Augen zu schütten. Kostenpunkt? Vielleicht drei Euro. Der Geburtstagsclou war dann aber bei sommerlichem Wetter statt Silvaner-Sause doch eher der leuchtend orange Aperol, der bei der ungeheuren Menge direkt doppelten Spaß und doppelte Sicht für das Geburtstagskind bringen durfte. 

Wirtschaftskreislauf aus High-Class-Sperrmüll 

Die Brauchbar ist aber nicht nur Top-Seller für den buntesten Blumenstrauß an Alltagsgegenständen in Würzburg, sondern auch beliebte Warenannahme für Ausmist-Aktionen. Bei Hausräumungen oder Wohnungsauflösungen ist die Brauchbar die richtige Adresse für alle gut erhaltenen Gegenstände, die viel zu schade für den Müll oder Sperrmüll wären. Einfach das Auto oder den Hänger vollpacken und rückwärts an die Laderampe. Dort helfen Menschen ohne geregelte Arbeit, die durch ihren Job in der Brauchbar aber in den Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden sollen, bei der Warenannahme. HiFi, Kleidung, Sportgeräte, Möbel und vieles mehr werden dort angenommen. Doch Achtung: Kaputtes kommt dort nicht gut an, die Brauchbar ist kein Entsorgungsbetrieb. Wer gut Erhaltenes abgibt, der schaufelt sich Punkte aufs Karma-Konto. Der Verkauf der Waren zu einem sagenhaft günstigen Preis kommt wiederum denjenigen zugute, die im Sozialprojekt der Brauchbar ihr Geld verdienen dürfen. 

Ihr habt auch eine schöne Geschichte von Fundstücken oder Pfundstücken aus der Brauchbar? Schreibt sie uns an redaktion@wuerzburgerleben.de und wir nehmen sie hier in diese Story auf. 

*von Philipp Heilgenthal und Manuel Scholze

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