Tauschbox abgebrannt: Warum die Idee in Würzburg trotzdem Schule macht

Manuel Scholze

8. Mai 2024

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Die Tauschbox nahe dem Tegut-Markt in der Sanderau brannte Mitte April ab. Foto: Anefka Bloos

„Was für Deppen“ oder „Einfach nur asozial“ kommentieren Fair-Teiler-Nutzer ein Facebook-Posting vom 22. April, das ein abgebranntes Holzhüttchen in der Sanderau zeigt. Darin waren Bücher und Kleidung, alles, was Menschen im Viertel gerne verschenken oder dankend annehmen. Eine Idee, in Schutt und Asche gebrannt, die eben das Gegenteil von „asozial“ ist: nachhaltiger Tausch für Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt.

Hinter diesen Tauschboxen steckt unter anderem Paul Schulz. Der Zimmermann in Ausbildung brachte die Idee von einem Hamburg-Trip mit. „Da sah ich eine Schrankwand mit Dingen zum Verschenken, an der sich Leute bedient haben. Das sah sehr idyllisch aus, ich dachte, dass ich das auch kann.“ Mit einer gelernten Schreinerin baute er insgesamt vier Boxen in der Lagerhalle des Vereins „Hermine“, eine für seinen Heimatstadtteil Zellerau, zwei für die Sanderau und eine für Grombühl. „In der Zellerau konnte ich immer wieder beobachten, dass es wirklich Bedarf dafür gibt. Zwar musste die Box dann erst einmal weg, das hat mich aber angespornt. Ich habe Gespräche geführt und die Box wieder aufgestellt.“

Bürokratische Irrwege, Tauschboxen daher zunächst auf eigenes Risiko aufgestellt

Alles sollte einen offiziellen Weg gehen, Schulz fragte beim Ordnungsamt an. Die sendeten ihn zum Tiefbauamt, die zum Verkehrsamt, die wieder zurück. „Wir wollten uns davon nicht aufhalten lassen und haben wir eine E-Mail-Adresse eingerichtet und diese auf ein Schild auf die Boxen geschrieben. Das ist ganz im Stil von Asterix, das System mit den eigenen Waffen zu schlagen.“ Die Boxen störten offenbar nicht, im Gegenteil: „Wir kamen mit Menschen ins Gespräch, die eine Art Patenschaft übernommen hatten und sich um die Boxen kümmerten.“ Lediglich in Grombühl ging der Plan nicht auf oder jetzt in der Sanderau, in der eine Box abbrannte.

„Was wir dem Kiez geben, darf sich der Kiez auch wieder nehmen“

Böse ist Paul Schulz darüber aber nicht. Der Plan sei immer gewesen, die Boxen dem jeweiligen Viertel zur Verfügung stellen. „Was wir dem Kiez geben, darf sich der Kiez auch wieder nehmen“, sagt Schulz. Oder eben im Falle der abgebrannten Box: Wenn sich einer daran so sehr gestört hat, dann darf er sie auch kaputtmachen. Eine Anzeige gegen Unbekannt gebe es daher nicht.

Die Tauschbox in der Zellerau wird in wenigen Tagen durch eine offizielle Box der Umweltstation ersetzt. Foto: Anefka Bloos

Vorbild Tauschbox: Stadt stellt in Kürze erste eigene Tauschbox auf

Dass sich der Einsatz von Paul Schulz und seinen Helferinnen und Helfern lohnte, zeigt nicht die abgebrannte Box, sondern andere Bestrebungen. „Erst diese Woche hat sich in Heidingsfeld jemand eine Tauschbox hingestellt und eigene Regeln darauf befestigt. Das zeigt mir, dass diese Idee Schule in Würzburg macht und ich finde das schön, wenn es sich verbreitet.“

Noch mehr Gewicht bekommt der nachhaltige Tauschhandel ab nächste Woche: Dann geht laut Schulz die Umweltstation der Stadt Würzburg mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft mit einer eigenen, ganz offiziellen Tauschbox an den Start. „Das hat vor allem Sabine Jahntschke von der Umweltstation, zugleich Agenda-21-Beauftragte der Stadt, ermöglicht.“ Die erste offizielle Tauschbox ersetzt die privat errichtete Box von Schulz und soll dann als witterungsbeständige Metallbox am Marktplätzle in der Zellerau fest im Boden verankert sein. Ab Mitte Mai finden Interessierte den Schrank direkt am Trafohaus gegenüber vom Cafe Kordel, zunächst erst einmal für die Dauer einer einjährigen Testphase. „Bei den Quartiersmanagern der Stadt kann man für die Box gegen eine Ehrenamtspauschale eine Patenschaft übernehmen und auf die Box aufpassen“, sagt Schulz.

Wer sich vorstellen kann, einen Schrank regelmäßig zu besuchen und Gegenstände zu sortieren, meldet sich gerne bei der Umweltstation der Stadt Würzburg unter umweltstation@stadt.wuerzburg.de oder 0931-374400.

Für Schulz ging mit dem Projekt der Umweltstation und dem Fortbestehen der Tauschboxen in Würzburg von öffentlicher Seite sein Ansinnen voll auf: „Was für mich zwischen den Zeilen immer mitschwingt: Man hat es selbst in der Hand, das Viertel, in dem man wohnt, selbst zu gestalten und sich nicht mit Bürokratie aufhalten zu lassen, wenn viele Menschen eine Sache gut finden.“

Erneut startet private Initiative Ausweitung der Tauschschränke

Kürzlich startete außerdem erneut eine private Initiative, die sich der Ausweitung der Tauschschränke widmet: Anfang April stellte Salina Neubert mit Hilfe ihrer Familie eine weitere Tauschbox in Heidingsfeld auf. Peter Bräutigam, Inhaber des Edeka in der Mergentheimer Straße, sei begeistert von der Idee gewesen und habe den Weg zum Aufstellen des Schranks vor dem Edeka unbürokratisch und schnell frei gemacht, so Neubert. „Wir wollten einfach etwas Sinnvolles tun – Menschen zum nachhaltigen Konsum und zur Abfallvermeidung aufrufen, Umweltschutz betreiben und soziale Verantwortung übernehmen“. Neuberts seien aktuell im Gespräch mit weiteren Märkten: „im Frauenland zum Beispiel gibt es noch keine Tauschmöglichkeit, hier erwarten wir durch die Nähe zur Universität eine hohe Nutzung“.

Der Tauschschrank vor dem Edeka sei ein „äußerst positives Beispiel, wie es laufen kann“, so Anja Knieper, Leiterin der Umweltstation in Würzburg. Ein Tauschschrank sei eine barrierefreie Anlaufstelle für ein breites Spektrum von Menschen aller sozialen Schichten und stärke zudem den innerbezirklichen Austausch. Knieper freut sich über das ehrenamtliche Engagement: „Alleine schaffen wir das nicht, wir sind auf engagierte Mitbürger angewiesen“.

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