Bundesweite Baumverluste: Wie alarmierend ist die Situation im Würzburger Stadtwald?

Manuel Scholze

18. Oktober 2024

Der forstliche Betriebsleiter der Stadt Würzburg, Karl-Georg Schönmüller. Foto: Daniel Peter
Klimakrise im Stadtwald Würzburg: Wie hoch sind die Schäden, was wird getan?

Stadtförster Karl-Georg Schönmüller und BN-Geschäftsführer Steffen Jodl führen am Samstag (15.10.20) ein paar Interessierte im Rahmen eines Pressetermins durch den Wald im hinteren Steinbachtal in Würzburg.

521.0000 untersuchte Bäume, 80.000 Proben, durchgeführt von etwa 100 Inventurtrupps: Diese Zahlen sind Basis für die Bundeswaldinventur, deren Ergebnisse im Oktober vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgestellt wurden. Die Ergebnisse zeigen zwar, dass Wälder in Deutschland nach wie vor „vielfältig und vorratsreich“ sind, doch der Zuwachs im Wald ist zurückgegangen und Wälder speichern heute nicht mehr CO2, sondern geben mehr davon frei, als dass sie es binden.

Ist der Würzburger Stadtwald auch zur Kohlenstoff-Quelle, statt einem Kohlestoffspeicher, geworden? Karl-Georg Schönmüller kennt den Wald in Würzburg wie kein zweiter, er ist forstlicher Betriebsleiter der Stadt und erklärt, wo die Probleme, aber auch Chancen liegen.

Würzburg erleben: Herr Schönmüller, wenn Sie den Zustand des Waldes hier beschreiben müssten, wie sieht es da aus?

Karl-Georg Schönmüller: „Zur Einordnung: Bundesweit haben sich die Wälder von CO2-Senken zu CO2-Quellen entwickelt, da es durch riesige Baumverluste zu Holzvorratsabbau gekommen ist. Bei uns in Würzburg stellt sich die Situation aber ein wenig besser dar. Bis 2020 ist der Vorrat je Hektar Waldfläche noch immer gestiegen. In den letzten Trockenjahren ist der Zuwachs zwar durch die Verluste an Altbäumen aufgehoben worden, aufgrund unseres großen Vorrates an natürlicher Waldverjüngung im ganzen Stadtwald ist aber bald wieder mit einer kleinen CO2-Speicherung zu rechnen. Da gehen wir von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren aus. Immerhin ist der Wald heute keine CO2-Quelle.“

Vergleichen Sie die Situation zu vor zehn Jahren, was ist im Wald passiert?

Karl-Georg Schönmüller: „Wir haben heute einen höheren Holzvorrat, es gibt mehr Laubholz, mehr Totholz und mehr Biotopbäume, dafür weniger Fichten – letztere wurden von 15 Prozent auf 1,5 Prozent in einem Bereich von 1.000 Hektar reduziert. Die Vitalität der Rotbuchen leidet hingegen auf Kalkstandorten. Wir haben eine höhere Waldbrandgefahr und müssen zehnmal so viele Verkehrssicherungsmaßnahmen und auch zehnmal so viel neue Pflanzungen als vor zehn Jahren vornehmen.“

Für alle, die das nicht wissen: Wo befinden sich die größten Teile des Stadtwaldes, die am meisten Mitarbeiterressourcen in der Pflege binden?

Karl-Georg Schönmüller: „Der größte Teil der Stadtwaldes ist im Steinbachtal und im Reichenberger Grund. Als Besonderheit gibt es die Parkwälder, also das Bismarckwäldchen und der Wald an der Frankenwarte. Die Kolleginnen und Kollegen vom Gartenamt kümmern sich um die Parkwälder, wir als Forstbetrieb kümmern uns im Steinbachtal und entlang der Straßen engagiert für die Verkehrssicherung. Dort findet auch eine Wiederaufforstung statt, am Pfaffenberg, der Frankenwarte und im Reichenberger Grund kommt es zu Neuaufforstung. Eine große Herausforderung ist auch die Sicherheit der intensiv genutzten Forstwege im Stadtwald.“

Feuchtigkeit 2024 wird zu höheren Belastungen durch Pilzzersetzung führen

Sie haben die Verkehrssicherung mehrfach angesprochen. Noch nicht allzu lange her ist das tödliche Unglück einer Fahrradfahrerin, die von einer Buche erschlagen wurde. Ist der Wassermangel das größte Problem, oder auch Einflüsse wie der Borkenkäfer?

Karl-Georg Schönmüller: „Es ist vor allem die Dürre, die Hitze und die Wetterextreme, zu denen eine erhöhte Vitalität von Insektenarten wie Prachtkäfer bei der Eiche, Lärchenborkenkäfer und diverse Holz zersetzende Pilzarten bei der Buche kommen. Gerade dieses Jahr ist sehr feucht, sodass vorgeschädigte Bäume noch zusätzlich belastet werden durch Pilzzersetzung.“

Was passiert mit kranken Bäumen unter städtischer Obhut – wie wird mit ihnen umgegangen?

Karl-Georg Schönmüller: „Für die Verkehrssicherung oder bei drohendem Verlust von wertvoller Holzqualität werden die Bäume entnommen. Besonders ästhetische, schöne Bäume an Wegen werden baumchirurgisch behandelt. Über 60 Prozent der kranken Bäume bleiben allerdings im Waldbestand, bereichern den natürlichen Zersetzungsprozess mit Humusbildung und erhöhen die Biodiversität. Das ist also keine schlechte Sache.“

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Situation im Würzburger Wald zu verbessern?

Karl-Georg Schönmüller: „Wir brauchen einen Wasserrückhalt durch Tümpel, Gräben und Mulden, die wir baggern. Auch Tiny Forests, also kleine Wäldchen, entstehen und wir pflanzen heute mehr klimatolerante Pflanzen, beispielsweise bewährte Baumarten wie Elsbeere, Mehlbeere und viele andere aus den heimischen Eichenwaldsystemen. Zusätzlich gibt es Versuche mit mediterranen Baumarten wie der Hopfenbuche oder Flaumeiche.“

Neues Projekt fertiggestellt: 64 Bäume und über 1.000 Sträucher in Rottenbauer

Ein konkretes Beispiel der Neuaufforstung entstand erst kürzlich im nordöstlichen Rottenbauer. Dort wurde laut einem Pressebericht der Stadt Würzburg knapp ein Hektar ehemaliger Ackerstreifen in eine Grünfläche mit 64 Bäumen und über 1.000 Sträuchern verwandelt. 380.000 Euro kostete die Maßnahme, über die sich Klimabürgermeister Martin Heilig freut: „Die neue öffentliche Grünfläche erfüllt neben ihrer Naherholungsfunktion wichtige ökologische Ziele. Neben dem Biotopverbund hat sie eine klimatische Bedeutung für das Wohngebiet. Gleichermaßen dient sie als Pufferzone zur landwirtschaftlichen Fläche und wertet das Landschaftsbild des Ortsrandes deutlich auf.“

Bürgerinnen und Bürger können Patenschaften übernehmen

Auch Würzburgerinnen und Würzburger können selbst etwas tun. Mit einer Patenschaft einer Baumscheibe gestalten Bürgerinnen und Bürger selbst das Stadtbild mit. Eine Baumscheibe ist der Bereich um einen Baumstamm, der nicht versiegelt ist. Die Flächen eignen sich für eine vielfältige Bepflanzung, beispielsweise durch Blühmischungen, die für Insekten ein Habitat bilden. Über die Patenschaften informiert die Stadt Würzburg auf ihrer Website.

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