Schock: Kinderstimmen für Bus und Straba plötzlich abgeschafft
Philipp Heilgenthal
19. Februar 2025

"Nächste Haltestelle: Studentenhaus", erklingt ab sofort nicht mehr von einem Kind, sondern von einer Frauen-KI-Stimme. Foto: VVM
Seit 2008 werden in ganz Würzburg die Bus- und Straßenbahnhaltestellen von freundlichen, echten Kinderstimmen angesagt. Für den Würzburger war das im Alltag Musik in den Ohren und es entwickelte sich schon bald zu einem echten Aushängeschild in ganz Deutschland, das begeisterte Nachahmer fand. Mittlerweile waren die Stimmen von Würzburger Grundschülerinnen und Grundschülern in Bus und Straba in Würzburg genauso wenig wegzudenken, wie die Heiligenfiguren auf der Alten Mainbrücke oder das mittägliche Glockengeläute vom Kiliansdom. Doch nun schaffte die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) die Kinderstimmen klammheimlich ab – man könnte fast sagen, in einer Nacht- und Nebelaktion. Aber warum nur?
Eine revolutionäre wie einfache Idee mit inzwischen vielen Nachahmern
Bis Dezember 2008 waren in Würzburg wie in (fast) jeder anderen Stadt in Deutschland und vermutlich weltweit monotone Computerstimmen zur Ansage der jeweils nächsten Haltestelle zu hören. Bis in der Grundschule Heuchelhof die Idee heranwuchs, die Haltestellen von ihren Schülerinnen und Schülern ansagen zu lassen. Die revolutionäre wie einfache Idee fand damals bei der WVV schnell begeisterten Anklang und nicht wenige Fahrgäste waren damals ebenso überrascht wie entzückt über die Neuerung. 2016 wurden die Haltestellen von Schülerinnen und Schülern der Grundschulen Heuchelhof und Versbach schließlich neu aufgenommen.
Anderen Städten gefiel die Idee so gut, dass sie sie kurzerhand kopierten, wie etwa Bamberg, Bayreuth, Münster und zuletzt Passau und Ingolstadt. Vor zwei Jahren blickte die WVV noch stolz auf das 15-jährige Jubiläum der Kinderstimmen im ÖPNV zurück. Doch nun hat ausgerechnet das Verkehrsunternehmen, das die Idee als Erstes auf den Markt brachte, dieselbe wieder eingestampft.
KI-Stimme soll mehr Barrierefreiheit schaffen
Auf den ersten Blick ist es nicht zu begreifen, warum die WVV die „glockenhellen Kinderstimmen“, wie sie sie selbst bezeichnete, vor wenigen Tagen durch eine monotone KI-Frauenstimme ersetzt hat. Das Kommunalunternehmen nennt dazu einen triftigen Grund: Barrierefreiheit. Wer sich jetzt fragt, was die Ansagen mit Menschen mit Gehbehinderung zu tun haben soll, übersieht, dass hörgeschädigte Menschen ebenfalls von mangelnder Barrierefreiheit im öffentlichen Leben betroffen sind. So haben Schwerhörige offenbar Schwierigkeiten, die oft nicht klar akzentuierten Kinderstimmen hören zu können. Dem könnte allerdings entgegengehalten werden, dass es für Hörgeschädigte gleich mehrere Hilfsmittel zur Orientierung in den öffentlichen Fahrzeugen gebe, sei es die Anzeige der nächsten Haltestelle, digitale Hilfsmittel wie Google Maps und die digitale WVV-Fahrplanauskunft oder nicht zuletzt der Blick aus dem Fenster.
Die WVV sagt dazu: „Nicht nur Hörbeeinträchtigte sind die Kern-Zielgruppe, es besteht vielmehr die Anforderung, dass alle Menschen, auch mobilitätseingeschränkte Personen, Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Demnach muss das Zwei-Sinne-Prinzip gewährleistet sein, d. h. Informationen müssen lesbar (print, digital), aber auch in akustischer Form gegeben sein. Die Kinderstimmen haben die Anforderung einer akustischen Wiedergabe leider nicht erfüllt.“
Über die Jahre hinweg habe es immer mal wieder Beschwerden über die Verständlichkeit gegeben, bestätigt eine Sprecherin der WVV. „Mit den neuen, automatisch erstellten Ansagen reagieren wir auf gesetzliche Anforderungen und auch auf berechtigte Hinweise der städtischen Schwerbehindertenvertretung/Inklusionsstelle.“
Warum in aller Heimlichkeit?
Fragwürdig ist auch, warum diese für Würzburgerinnen und Würzburger nicht zu unterschätzende Veränderung ihres Alltags nicht vorab angekündigt wurde. Die WVV erklärt das Vorgehen damit, dass es für Fahrgäste durch die Umstellung keine relevanten Nachteile oder Änderungen gebe. „Auch wir fanden die Kinderstimmen wie viele unserer Fahrgäste über all die Jahre sympathisch, aber aus den oben genannten Gründen trennen wir uns nun von ihnen“, so die WVV abschließend.