Was muss ich können, um ein Weingut zu übernehmen?

Manuel Scholze

26. Juni 2025

Winzer

Winzer Michael Christ (rechts) mit seinem jüngeren Bruder Johannes. Foto: Manuel Scholze

Günther Jauch hat es vorgemacht. Er ist nicht nur prominenter Fernsehmoderator, sondern auch Winzer. Sein „Weingut von Othegraven“ ist ein wirklich idyllisches Fleckchen Erde, auf dem Günther Jauch gerne den Naturbursch’ im Karohemd gibt. Die Faszination Wein klingt verlockend. Allerdings auch, wenn man den Wein selbst herstellt?

Michael Christ aus Nordheim muss es wissen. Er ist Winzer in zweiter Generation und übernimmt gerade sukzessive den Betrieb seines Vaters Helmut Christ. In zwei Jahren soll es soweit sein – dann ist der Betriebsleiter des Bio-Weinguts auch der Besitzer. Schon die Übernahme des Betriebs ist eine riesige Herausforderung, bestätigt der 33-Jährige: „Ich hätte viel früher gerne mehr Verantwortung übernommen. Da bin ich immer wieder ausgebremst worden. Da habe ich mich zurückgenommen und habe gewartet, bis die Eltern bereit waren.“

Von Ende April bis Ende Oktober kein freier Tag

Mittlerweile trägt der Junior als Betriebsleiter die volle Haftung. Und spricht von einer Lebensaufgabe. Denn mal am Weinberg vorbeizuschauen, um dann im Herbst die fette Ernte einzufahren, das ist meilenweit von dem entfernt, um was es eigentlich geht. „2018 war ein Extremjahr, da hatte ich von Ende April bis Ende Oktober keinen freien Tag. Am Sonntag ist ein halber Tag pflichtfrei, wenn es nicht geht, geht es aber nicht.“

Hier unterscheidet sich der Bio-Betrieb kaum vom herkömmlichen: der Wein wird entweder in Holzfässern oder in diesen Stahltanks gelagert. Foto: Manuel Scholze

Um ein Weingut zu übernehmen und den Wein auch mit eigenen Händen herzustellen, ist jede Menge Erfahrung nötig. Der gelernte Weinbautechniker wurde im Grunde genommen ein Leben lang auf den Job vorbereitet. In den elterlichen Betrieb einzusteigen, war dennoch eine freie Entscheidung. Ob er ihn letztlich übernehmen wolle, war danach aber keine Frage mehr, die wirklich aufkam. Diese Entscheidung war gesetzt – dazu wurde er erzogen.

Was Michael Christ täglich bewegt

„Ich bin ganz intensiv am darüber nachdenken, wie ich meine Bewirtschaftung mache. Heißt, wie viel Energie ich reinstecken möchte und was ich dafür herausbekommen möchte an Traubenertrag. Für uns wird der Boden immer zentraler, um die Wasserversorgung und die Ernährung zu gewährleisten. Da ist die Frage, wie bekomme ich das nachhaltig hin, wie schone ich den Boden so, damit ich so autark wie möglich wirtschaften kann.“ Der Ökowinzer ist Experte, was Rebenernährung und Pflanzenschutz angeht. Das hat er gelernt. Doch damit ist es nicht getan. Denn der Nordheimer muss sich natürlich damit beschäftigen, wie sein Wein an die Frau oder den Mann kommt.

Was unterscheidet Bio-Wein von herkömmlichem Wein?

Denn der Alkoholkonsum allgemein ist rückläufig, sagt Christ. “ Die klassischen Weintrinker werden weniger, die sich ein bis zweimal im Jahr mit einer Kofferraumladung beim Weingut eindecken. Onlinekäufe und Spontankäufe nehmen zu, die Verkaufsmengen werden geringer.“ Premiumwein gehöre zu gutem Essen, und dieser Lifestyle soll zukunftsfähig bleiben – darauf hofft der künftige Weingut-Besitzer.

Hier sind Hefen und Schwebstoffe (Weinstein) zu sehen, die vor der Abfüllung aus dem Wein gefiltert werden. Foto: Manuel Scholze

Die Sache mit dem Marketing

Um seinen Wein anzupreisen, ist Marketing nötig. „Ich schaue mir andere Konzepte und andere Branchen an und überlege, was da gut läuft, was man adaptieren kann und auf die Weinbranche ändern muss. Ich schaue mir auch neue Vermarktungsformen an, da ist solidarische Landwirtschaft ein großes Ding. Oder auch Rebpatenschaften sind ein interessantes Konzept, um den Kunden an das Weingut oder eben sogar an die Rebe zu binden.“

Hier ist Christ überzeugt, dass es vor allem um das persönliche Erlebnis geht – vor allem, was die künftigen Premium-Weintrinker angeht. „Der Erstkontakt zur jungen Zielgruppe ist schwierig. Dann muss ich die von der Faszination Wein und Naturerlebnis überzeugen. Und das geht über Mitarbeit, Miterleben, Verkosten und Schmecken“, sagt er. „Die Leute die auf dem Hof waren, werden das nie vergessen.“

Muss ein Weingut weiterwachsen?

Das Thema Wachstum ist natürlich eines, das einen frischgebackenen Weingut-Chef beschäftigen muss. Für einen Bio-Winzer wie Michael Christ ist es aber kein zentraler Punkt. „Ich bin am Überlegen, wie ich den Betrieb erweitere und mache und tu‘. Aber eigentlich möchte ich das gar nicht, denn dann bin ich irgendwann nur noch Hausmeister. Und das ist nicht mein Lebensziel.“ Es gehe nicht immer um Wachstum. Und wenn, dann kann das natürlich Gewinn und Flächenzuwachs sein, Wachstum sei aber auch, wenn man Humus im Weinberg aufbaue – das sei dann eben ein Qualitätswachstum. „Ich sehe keinen Zwang darin, Gewinne zu maximieren“, betont der 33-Jährige.

Warum heißt der Bocksbeutel Bocksbeutel?

Für seine Zukunft und der der fränkischen Winzerszene wünscht sich der Unterfranke eine tiefgreifende landschaftliche Veränderung in den kommenden 20 Jahren. Dann seien die Weinberge um Kitzingen und Würzburg auch von Hecken und Baumgruppen geprägt – ein Misch-Weinberg sozusagen. Das wäre das Ende des Weinbergs, wie wir ihn kennen. Und das ist aus Sicht von Christ nur gut so.

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