Konzertina: Kein Instrument für Frauen
Wuerzburgerleben
28. Oktober 2014

Symbolbild Würzburg
Viele Instrumente ungeeignet
In der Volksmusik gelten auch heute noch viele Instrumente für Frauen als nicht geeignet. Auch die Konzertina, ein Akkordeon-artiges Instrument, hat diesen Ruf. Die Musikwissenschaftlerin Georgia Charalampopoulou hat sich bei ihrer Masterarbeit trotzdem auf die Suche nach Konzertinaspielerinnen in Franken begeben.
Konzertina-Spielerinnen in Franken
Der Titel der Arbeit: „Die Konzertina-Spielerinnen in Franken“. Charalampopoulou geht darin der Frage nach, ob es heute in Franken Frauen gibt, die professionell oder als Amateurinnen Konzertina spielen – ein Instrument, das „bekannterweise bis anhin nahezu ausschließlich den Männern vorbehalten war“, wie sie schreibt.
Starke Vorurteile gegen Frauen in der Volksmusik
„Bis vor relativ kurzer Zeit war es für Frauen schwierig, im klassischen westlichen Orchester eine herausragende Rolle als Musikerin oder Solistin einzunehmen“, erklärt die Studentin den Hintergrund ihrer Arbeit. Da gab es beispielsweise Dirigenten, die noch vor wenigen Jahren bezweifelten, dass Frauen an der Solo-Posaune zum Einsatz kommen dürfen – als Frau seien sie dazu körperlich nicht in der Lage. Heute sind solche Aussagen in der klassischen Musik nicht mehr oder nur noch äußerst selten zu hören. Anders im Bereich der Volksmusik: „Dort stoßen Frauen immer noch auf Hindernisse, und zwar aufgrund von Klischees darüber, welche Musikinstrumente als unweiblich beziehungsweise unmännlich gelten“, sagt Georgia Charalampopoulou.
Die Konzertina: Zu schwer für Mädchen
Für Frauen weniger geeignet scheint nach diesen Ansichten die Konzertina zu sein. Das Instrument gleicht einem Akkordeon, weist aber in seiner deutschen Variante einen vier- oder sechseckigen Querschnitt auf. Auf seinen beiden Enden sitzen bis zu 128 Knöpfe, die der Spieler herunterdrücken muss, um Töne zu erzeugen. Je nachdem, ob er dabei den Balg auseinander zieht oder zusammen drückt, unterscheiden sich diese Töne – hinter jedem Knopf verbergen sich somit zwei Töne. Diese Eigenschaft – Diatonie in der Fachsprache genannt – mag ein Grund dafür sein, weshalb die Konzertina nach Ansicht männlicher Musiker für Frauen nicht geeignet sei. „Das ist zu schwer für dich. Das kannst du nicht“, bekamen jedenfalls viele Mädchen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von ihren Vätern zur Antwort, wenn sie den Wunsch äußerten, Konzertina-Unterricht zu bekommen.
Mädchen mussten im Haushalt helfen
Ein anderes Argument war vermutlich gewichtiger: „Die Konzertina war offensichtlich ein geschlechterspezifisches Musikinstrument, das die damalige Gesellschaft den Männern zuordnete“, sagt Georgia Charalampopoulou. Für Frauen hatte die Gesellschaft andere Betätigungen vorgesehen: „Mädchen mussten ihren Müttern im Haushalt helfen, haben dann meist sehr jung eigene Kinder bekommen und waren dann wieder im Haushalt beschäftigt“, so die Musikwissenschaftlerin. So war es ihnen schon aus Zeitmangel kaum möglich ein Musikinstrument zu erlernen.
Instrument spielen war „unanständig“
Darüber hinaus galt es lange Zeit als „unanständig“, wenn eine Frau Musikantin war – vor allem wenn sie vor einem größeren Publikum spielen wollte. Da aber die Konzertina ein Wirtshaus-Musikinstrument war, das ausschließlich zur öffentlichen Unterhaltung und Tanzbodenmusik eingesetzt wurde, war es für Frauen ungeeignet. „Die Wirtshausgänge waren den Männern vorbehalten, die sich dort bei Musik und Tanz unterhielten und sich üblicherweise zu starkem Alkoholkonsum hinreißen ließen“, sagt Georgia Charalampopoulou. Im Ergebnis waren Musikanten in der Gesellschaft nicht besonders hochgeschätzt, und musikalische Interessen von Mädchen wurden gar nicht erst auf „Unterhaltungs-Musikinstrumente“ gelenkt, zu denen in der fränkischen Volksmusik die Konzertina zählte, um sie so vor „schlechter Gesellschaft“ zu bewahren.
Konzertina spielende Frauen sind kreativer
Da die Konzertina früher als typisches Instrument für Männer galt, wurden die Musikerinnen wenig anerkannt. Dies änderte sich erst in den Achtzigerjahren, vor allem dank der Bemühungen des Konzertina-Lehrers Fritz Pastyrik, der Frauen und Mädchen gezielt förderte. Heute zeigen sich die Konzertina spielenden Frauen kreativer als ihre männlichen Kollegen, sagt Georgia Charalampopoulou: Eine Musikerin ist Mitglied einer interkulturellen Volksmusikgruppe und stellt die Konzertina damit erstmals in einen interkulturellen Kontext. Eine andere nutzt die Konzertina, um Kindern dieses Instrument nahezubringen. Eine Märchenerzählerin untermalt damit ihre Märchen. „Die Konzertina-Spielerinnen geben diesem Instrument also wichtige Impulse und tragen dazu bei, der Konzertina ein neues, jüngeres Publikum außerhalb der fränkischen Volksmusik zu erschließen“, so Charalampopoulou.
Ein Beitrag zum Abbau von Vorurteilen
Und warum das Ganze? „Musik ist ein Medium kultureller Repräsentation, mit dem auch Geschlecht und Geschlechtsidentitäten hergestellt und verhandelt werden“, sagt die Wissenschaftlerin. Im Laufe der Geschichte würden musikalische Vorurteile geschaffen, die nicht nur den volksmusikalischen Kulturen vorbehalten sind. Die aktive Teilnahme musizierender Frauen in der Volksmusik, und zwar als Solistin eines „männlichen“ Musikinstruments kann ihrer Ansicht nach dazu beitragen, Stereotype abzuschaffen und eine positive soziale Entwicklung in Gang zu setzen. Darüber hinaus könne der Abbau solcher Vorurteile „zur Bewahrung eines Volksmusikinstruments wie der Konzertina“ einen wichtigen Beitrag leisten.