Von Hollywood auf die Yogamatte

Katharina Kraus

3. Januar 2018

Mirko Betz. Foto: TorzFotografie, Daniel Torz
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Mirko Betz. Foto: TorzFotografie, Daniel Torz

Mirko Betz liebt die Ruhe, das „Ganz bei sich selbst“-sein, die Meditation. Doch wie passt das mit seiner Vergangenheit zusammen? Er war elf Jahre lang DJ, wanderte nach Los Angeles aus, schrieb Drehbücher für Roland Emmerich, lebte das harte Hollywood-Business und „flüchtete“ letztendlich in die Einsamkeit Mexikos, suchte nach dem Sinn des Lebens und fand ihn schließlich. Wie es dazu kam, erzählte er uns in einem Gespräch.

Mirko im Gespräch

Mit jeweils einer Tasse Tee auf dem Tisch sitzen wir uns im Café Zweiviertel gegenüber. Er, der tiefenentspannte, gut gelaunte Mirko mit der Wollmütze, ich, die gestresste und abgehetzte Redakteurin. Mein Lächeln sei ihm aufgefallen, sagt er. Das würde man heutzutage nicht mehr oft erleben, von einem Menschen auf der Straße, in einer bestimmten Situation, einfach so mit einem freundlichen Lachen bedacht zu werden.

Eigentlich wollten wir uns in der Yogalounge – Mirkos, nennen wir es mal, momentanem Arbeitsplatz – treffen. Doch Mirko hat den Schlüssel vergessen. Somit haben wir das Gespräch spontan in ein Café verlegt, eines, das er „echt schön“ findet, wie er später erzählt. Einen Ort, den es früher in Würzburg nicht gab, in seiner Jugend, in seiner Vergangenheit.

Techno und Sven Väth

Mirko war früher DJ, genauer gesagt, elf Jahre lang Resident im Airport. Einer, der Techno, Ibiza Sound, Acid und Sven Väth nach Würzburg gebracht hat. „Ich habe schon zu Hause immer Tapes gemixt. An Kassettenrekordern hin und her geschnitten. Der angesagteste DJ damals war Rene in der Tanzschule Bäulke. Da ist die ganze Würzburger Jugend samstags hingeschwärmt.

Klubs gab es ja in dem Sinn noch nicht. Und ins legendäre Paramount kamen wir nicht rein. Wir waren viel zu jung und es gab eine super strenge Gesichtskontrolle“, erinnert sich der heute 51-Jährige. Er wollte die Leute schon immer inspirieren und unterhalten, sie aus ihren festen Mustern lösen und er hat es einfach geliebt zu „orchestrieren“.

Fränkisch, kleingeistig, konservativ

Aber damals, in den 80er und 90er Jahren, war Würzburg „eine andere Stadt“. Ich frage ihn, was er damit meint: „Ach, es fühlte sich an, als ob wir unter einer unsichtbaren Glocke leben würden, abgeschnitten von der Außenwelt. Kurz: Würzburg war sehr fränkisch, kleingeistig, konservativ, irgendwie zurückgeblieben.

Es hat sich alles sehr „Alt“ und eingefahren angefühlt, nach Staub und Spinnenweben. Wenn man damals mal nach Nürnberg, Frankfurt oder München gefahren ist, kam man sich vor, wie auf einem anderen Planeten. In Würzburg gab es kaum Straßencafés, um 22 Uhr wurden die Gehsteige hochgeklappt, Klubs machten pünktlich um 3 Uhr zu. Coole Klamotten kaufen musstest du auswärts oder im Ausland. Polizei und Stadtverwaltung waren allgegenwärtig.

Raus aus dem Käfig

Viele können sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Die Standardantwort der Stadt auf ungewöhnliche Projekte war fast grundsätzlich „Nein“. Eine Strandbar, der Brückenschoppen, eine Pizzeria am Alten Kranen mit Terrasse und Lounge – die städtischen Beamten hätten uns angekuckt, als ob wir einen totalen Dachschaden hätten. Wir haben damals viel versucht und wurden dauernd ausgebremst. Das – und viele andere Gründe – haben dann schließlich auch dazu geführt, dass ich 1999 erst mal weg bin. Erst nach Frankfurt, dann nach Los Angeles. Ich brauchte Luft zum Atmen, musste raus aus dem Käfig, wollte meine Flügel ausbreiten und meine Kreativität frei fliegen lassen.

Unglaubliche Veränderung

Als ich dann 2008 zum ersten Mal nach langer Zeit – und dann 2014 nochmal – zu Besuch kam, habe ich meine Stadt kaum wieder erkannt. Voller Leben! Tourismus! Junge schöne Menschen! Eine frische Energie! Viel Farbe! Das Café Rudowitz! Das Wunschlos Glücklich! Der Brückenschoppen auf der Alten Mainbrücke! Bio Bäcker! Yoga Studios! Es ist einfach unglaublich und wunderschön zu sehen, wie sich die Dinge zum Positiven wandeln.“

Mittlerweile lebt Mirko auch wieder in Würzburg, für wie lange, ist allerdings unklar. „Mal sehen, was das Leben so bringt, wo es mich hinführt. Ich weiß nicht, ob ich für immer hier bleibe oder ob es mich vielleicht irgendwann doch wieder in die weite Welt zieht.“

Von Frankfurt nach Hollywood

Doch nochmal zurück: „Wie kam es dann eigentlich dazu, dass du Würzburg verlassen hast? Wie kam es dazu, dass du deinen Job als DJ im Airport mit Kontakten zu beispielsweise Sven Väth aufgegeben hast?“ frage ich Mirko. Kalifornien habe ihn schon immer fasziniert. Seit einem Urlaub 1989 wollte er immer dort leben. Sonne, Meer und Palmen eben. Doch letztendlich hat es dann noch zehn Jahre gedauert, bis er den Mut hatte, wirklich die Koffer zu packen.

Vorher zog es ihn erst mal nach Frankfurt, wo er anfing, Drehbücher zu schreiben – einfach so, weil er eben ein Filmfreak war. „In Hollywood zu arbeiten war allerdings definitiv nicht auf meiner Liste der ‚Dinge, die ich mal unbedingt tun werde’. Das war in meinem Verstand so unrealistisch, es war nicht mal eine vage Idee“, erzählt Mirko mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ja, hier ist der Til!“

Dann kam ihm 1995 plötzlich eine Filmidee. „Ich habe einfach angefangen, sie aufzuschreiben. Nur für mich. Ich hatte ja noch eine Mode Firma zu führen (Anm. d. Red. „Shoot“ – Modelabel für Clubwear) und war auch noch DJ im Air. Aber nach ein paar Monaten hatte ich tatsächlich ein fertiges „Drehbuch“. Und dann kam die nächste Idee: Schick es raus! Also habe ich es rausgeschickt an ein Dutzend Produktionsfirmen. Eine davon war die von Til Schweiger.

Ich habe auch nicht wirklich damit gerechnet, dass irgendetwas passiert.  Aber circa sechs Monate später, ich war gerade auf der A3 nach Frankfurt um meinen neuen Gig als Merchandise Manager für die Bösen Onkelz zu verhandeln, klingelte mein Handy. „Ja, hier ist der Til.“ Ich: Welcher Til?  Er: „Til Schweiger. Du hast mir dein Drehbuch geschickt. Ist echt geil. Hast du Lust, dich mit mir zu treffen, mich in Köln zu besuchen?“  – Da musste ich erst mal von der Autobahn runter.“

Filmidee auf dem Road Trip

Ein paar Jahre später, es war 1999, veränderte sich Mirkos Leben schlagartig. Es war für ihn ein wahres Schicksalsjahr. Seine Frau trennte sich von ihm, er verkaufte daraufhin sein Hab und Gut und machte sich auf den Weg nach Amerika, um seinen lang gehegten Traum zu leben. Mit einer Reisetasche flog er nach Denver und startete einen Road Trip durch die Rocky Mountains.

Genau dort hatte er sein vielleicht erstes spirituelles Erlebnis: Nachts am Lagerfeuer in völliger Stille kam ihm plötzlich eine Filmidee, daraus entstand ein Drehbuch, das er letztendlich an den großen Filmregisseur und Produzenten Roland Emmerich verkaufte. „Das war wie ein Traum und passiert eigentlich nicht.“ Nach einer langen Durststrecke mit Gelegenheitsjobs hatte Mirko plötzlich an einem Tag sehr viel Geld verdient.

Wie alles begann …

Wie war das nun, dieses Hollywood? Mirko wird nachdenklich, man merkt ihm an, dass er sich zwar gerne an dieses Leben damals zurück erinnert, sich aber absolut nicht nach dieser Zeit sehnt: „Ich lebte diesen Hollywoodwahnsinn, war mittendrin in dieser Maschinerie aber nach zehn Jahren war ich ausgebrannt.“ Er erzählt, dass er 2009/10 nach Südamerika reisen wollte, aktiv aus der Gesellschaft „raus wollte“ und auf seiner Reise schließlich in Mexiko gelandet ist.

Auf einmal hat Mirko ein Lächeln auf den Lippen, ein Glitzern in den Augen: „In Mexiko wurde ich zu dem, was ich jetzt bin, ich habe noch mal das Fliegen gelernt – das war mit die beste Zeit in meinem Leben!“ Im Mexikanischen Tulum ist Mirko damals hängen geblieben, hat, wie er sagt, am schönsten Strand der Welt gelebt – in einem Zelt. In einer Yoga Hippie Community hat er nicht nur gelernt, wie man Kokosnüsse von der Palme schlägt, sondern auch, wie man richtig meditiert und Yoga praktiziert. „Ich habe alles los gelassen, ich wollte barfuß laufen, Sterne gucken, mehr fühlen, einfach Mensch sein!“ Vier Jahre seines Lebens hat Mirko in Mexiko verbracht und es nie bereut.

Zen – „eine harte Nummer“

2014 zog es ihn dann wieder in die Heimat. Doch ihm war jetzt klar, dass er nie wieder ein Leben, wie er es vor Mexiko hatte, leben könnte. Mirko entschied sich, eine Zeit lang in einem Kloster zu verbringen. Er lebte zusammen mit den Zen Mönchen im Benediktushof in der Nähe von Würzburg. Er wollte diese ganz spezielle Art der Meditation und Lebensweise kennenlernen: „Da hab ichs mir nochmal extrem gegeben. Zen ist mit die härteste Praxis, die ich kennengelernt habe. Für mich bedeutete das: Nichts reden, sechs Monate Stille – eine echt harte Nummer.“

Kerzenlicht Meditation

Doch genau aus diesen Erfahrungen ist seine heutige Tätigkeit entstanden. Mirko bietet mittlerweile jeden Freitag (im Winter um 19.30 Uhr, im Sommer um 20.30 Uhr in der Yogalounge) eine Kerzenlicht Meditation an, zu der jede und jeder eingeladen ist. Egal, ob man bereits Erfahrung mit Meditation hat oder ein absoluter Anfänger auf diesem Gebiet ist. Mirko möchte das, was er in den verschiedenen Phasen seines Lebens gelernt hat, weitergeben und seine Mitmenschen ab und an auch mal daran erinnern, dass es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, Zeit für sich selbst und seine Gedanken.

Lebenskünstler

Am Ende unseres Gesprächs bin ich begeistert von der Lebenseinstellung dieses Menschen, der mir gegenüber sitzt. Ein wahrer Lebenskünstler! Gerade für mich als Mensch, der auf Grund seiner Arbeit ständig unter Strom steht, kommt die Ruhe oft zu kurz. Vielleicht sollte ich, sollten wir uns auch einfach mal die Zeit nehmen und uns ab und zu auf das Wesentliche besinnen- was das für den Einzelnen ist, bleibt jedem selbst überlassen aber einen Versuch ist es wert!

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