Wöllrieder Hof: Soziales Beschäftigungsprojekt von „Brauchbar“

Katharina Kraus

11. Juni 2019

Roland Nikeleit (rechts) kam auf die Idee, Hochbeete anzulegen. Sein Chef Armin Kirchner hat das Vorhaben unterstützt. Foto: Brauchbar
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Roland Nikeleit (rechts) kam auf die Idee, Hochbeete anzulegen. Sein Chef Armin Kirchner hat das Vorhaben unterstützt. Foto: Brauchbar

Er geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagt Roland Nikeleit. Irgendwie ist es ja schon schön, nicht jeden Morgen auf der Matte stehen zu müssen. Auf der anderen Seite hat der 64-Jährige seinen Job auf dem Wöllrieder Hof geliebt. Er wird hier auch Spuren hinterlassen. Der originelle Wasserlauf, der aus golden angemalten Gießkannen besteht, ist seine Kreation. „Außerdem kam ich auf die Idee, Hochbeete anzulegen“, erzählt der junge Senior, der im November in Ruhestand gehen wird.

Gartenarbeit als Weg zurück

Im Jahr 2009 wurde Nikeleit fest ins Team des Wöllrieder Hofs integriert. Zuvor hatte er als Ein-Euro-Jobber in das Projekt hinein geschnuppert. Die Arbeit in der großen Gartenanlage half ihm, sich wieder zu fangen. Denn Anfang der 2000er Jahre war es Nikeleit psychisch und körperlich schlecht gegangen. „Mein alter Job hat mich fertig gemacht“, erzählt der gebürtige Niedersache, der sein Geld lange als Fernfahrer verdiente. Immer auf der Straße sein. Diese Woche in Spanien. Nächste Woche in Polen. Übernächste vielleicht in Skandinavien. Termindruck. Unruhige Nächte. Kein geregeltes Leben: „Das war alles viel zu viel Stress für mich.“

Projekt für Langzeitarbeitslose

Auf dem Wöllrieder Hof ist jede Woche ähnlich. Wenn auch ganz und gar nicht gleich. „Was wir konkret tun, entscheidet sich meist spontan von Tag zu Tag“, sagt Armin Kirchner, der das an der Grenze zu Rottendorf gelegene Beschäftigungsprojekt des Sozialunternehmens „Brauchbar“ für Langzeitarbeitslose leitet. Das jeweilige Programm wird vom Wetter bestimmt. Und von den Menschen, die vor Ort sind. Nicht jeder schafft es jeden Tag, zu kommen. Nicht jeder ist dann, wenn er kommt, auch einsatzfähig. Viel Zeit verbringt Kirchner damit, Gespräche zu führen. Psychosoziale Probleme sind unter den Beschäftigten verbreitet, Krisen nicht selten.

Zehn Beschäftigte derzeit

Zehn Männer arbeiten derzeit auf dem Wöllrieder Hof. Roland Nikeleit und Armin Kirchner sind fest angestellt. Daneben gibt es Kollegen, die einer Arbeitsgelegenheit nachgehen oder ehrenamtlich mithelfen. Schließlich ist der aus zwei Personen bestehende Hausmeisterservice von „Brauchbar“ an dem Wöllrieder Hof angedockt.

Für Roland Nikeleit wären die letzten zehn Jahre ohne den Wöllrieder Hof nicht vorstellbar gewesen. „Ich bin kein Typ, der daheim herumhockt“, sagt er. Nikeleit möchte etwas schaffen. Möchte seine Talente einbringen. Von denen er eine Menge hat. Zum einen ist der 64-Jährige handwerklich begabt: „Ich bin gelernter Schmied.“ Seine Liebe zur Arbeit in und mit der Natur rührt vom Elternhaus her: Nikeleit wuchs auf einem Bauernhof auf.

Bauwerke in Schuss halten

Wer den Wöllrieder Hof zum ersten Mal sieht, ist fasziniert. Zum einen von der wunderschönen Anlage des großzügigen Geländes. Überall sind kleine Kunstwerke versteckt, die von den Beschäftigten geschaffen wurden. Skulpturen etwa oder Brunnen. Aber auch das Haus, das im 13. Jahrhundert Leprakranke beherbergte, begeistert. „Zu den Aufgaben der Beschäftigten gehört es nicht zuletzt, dieses Bauwerk in Schuss zu halten“, sagt „Brauchbar“-Geschäftsführer Thomas Johannes.

„Brauchbar“ vermietet Außengelände für Outdoor-Feiern

Dank eines Sponsors konnte das Gebäude kürzlich auf Vordermann gebracht werden. Rund 50.000 Euro flossen in den Umbau. Die sanitären Anlagen wurden erneuert. Johannes: „Wir haben nun eine behindertengerechte Toilette.“ Außerdem steht eine Catering-Küche zur Verfügung. Die kann auch von Partygästen genutzt werden: Seit fünf Jahren vermietet „Brauchbar“ das Außengelände für Outdoor-Feiern. Mehrere Geburtstage fanden hier schon statt, Vereinsfeste, Betriebsfeiern, Hochzeiten und Polterabende.

Platz für 150 Partygäste

Bis zu 150 Partygäste können geladen werden. Nachdem der Carport immer freigeräumt wird, ist es sogar möglich, die Fete bei schlechterem Wetter steigen zu lassen. Für das Catering muss jeder Veranstalter selbst sorgen. Doch das, hat Johannes erfahren, schätzen diejenigen, die den Wöllrieder Hof buchen: „Bei anderen Locations ist man meist verpflichtet, die jeweilige Gastronomie zu nutzen.“ Viele Feierlustige möchten das nicht. Weshalb der Wöllrieder Hof gern gebucht wird – obwohl „Brauchbar“ bislang kaum dafür warb.

Einnahmen kommen Sozialprojekt zugute

350 Euro kostet es, das Gelände für ein Wochenende zu mieten. Die Einnahmen kommen dem Beschäftigungsprojekt „Brauchbar“ zugute. Gerade den Wöllrieder Hof zu finanzieren, ist nicht einfach. Johannes: „Wir leben von den Geldern der Jobcenter für die Arbeitsanleitung und die sozialpädagogische Betreuung, von einigen wenigen Außenaufträgen und dem, was über den Hausmeisterservice hereinkommt.“ Das auf dem Wöllrieder Hof gezogene Gemüse ist lediglich für den Eigenverbrauch der Beschäftigten bestimmt. Nur das Brennholz, das aus alten Paletten eines Gemüsegroßhändlers täglich hergestellt wird, wandert über das „Brauchbar“-Sozialkaufhaus in den Verkauf.

Artikel beruht auf einer Pressemitteilung von BRAUCHBAR gemeinnützige GmbH.

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